Unzulässige Erweiterung von Servituten
Das Ausmaß und der Umfang einer Wegedienstbarkeit richtet sich vor allem nach der zwischen dem Wegberechtigten und dem mit dem Wegerecht belasteten Grundstückseigentümer getroffenen Vereinbarung. Existiert eine solche Vereinbarung jedoch nicht und ist der Weg ersessen worden, richtet sich der Umfang einer solchen Dienstbarkeit stets nach der Nutzung während der gesamten Ersitzungszeit. Ausschlaggebend ist, zu welchem Zweck und in welchem Umfang das dienende Grundstück während der Ersitzungszeit vom Wegeberechtigten genutzt worden ist (z. B. als Ackerzufahrt, zur Holzbringung oder etwa als Haus- und Hofzufahrt …).
Bei sogenannten ungemessenen Dienstbarkeiten (deren Ausmaß durch den Vertrag nicht eindeutig bestimmt ist) entscheidet nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis; doch auch hier bestehen Schranken aufgrund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart.
Als Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Problems, ob nun der Wegeberechtigte das Ausmaß der ihm zustehenden Dienstbarkeit überschritten hat oder nicht, wird vom Obersten Gerichtshof regelmäßig § 484 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch herangezogen.
Diese Bestimmung lautet:
"Der Besitzer des herrschenden Gutes kann zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden."
Mit anderen Worten formuliert, bedeutet dies die Verpflichtung des Wegeberechtigten zur schonenden Ausübung der ihm zustehenden Dienstbarkeit.
Der Oberste Gerichtshof hat nun diesen Gesetzeswortlaut in einer Vielzahl von Entscheidungen konkretisiert: Unzulässig ist beispielsweise die Erweiterung der Dienstbarkeit des Fahrweges über unbebautes Feld auf das Befahren in angebautem Zustand (mit Feldfrüchten bebautes Feld). Außerdem darf eine Wegedienstbarkeit nicht auf gewerbliche Bedürfnisse erweitert werden, auch wenn das dienende Grundstück nicht stärker in Anspruch genommen wird.
Beispiele für unzulässige Servitutserweiterungen sind:
Eine unzulässige Erweiterung stellen etwa die nunmehrige Ausübung eines Taxigewerbes, die Eröffnung eines Gewerbebetriebes für Karosseriebau und eine Autolackiererei anstelle einer Kleinlandwirtschaft und Schuhmacherwerkstätte oder die Errichtung einer Jausenstation anstelle der Verwendung als Wohnhaus dar.
Wird ein Wegerecht zu einem Bauernhaus nicht nur für das Bewohnen und die Bewirtschaftung des Hauses in Anspruch genommen, sondern auch für Fahrten von und zu einem neu errichteten Lagerhaus, so ist dies ebenfalls als unzulässige Servitutserweiterung zu betrachten.
Die Verwendung einer im Winter als Schiabfahrt genutzten Weide für Mountainbike Downhill-Rennen im Sommer widerspricht der vertraglichen Vereinbarung der Nutzung des Grundstückes zu den Zwecken der Schiabfahrt und stellt daher eine erhebliche und schwere und deshalb unzumutbare Belastung des dienenden Grundstückes dar und ist eine unzulässige Servitutserweiterung.
Wird ein Wegerecht zu einem Bauernhaus nicht nur für das Bewohnen und die Bewirtschaftung des Hauses in Anspruch genommen, sondern auch für Fahrten von und zu einem neu errichteten Lagerhaus, so ist dies ebenfalls als unzulässige Servitutserweiterung zu betrachten.
Die Verwendung einer im Winter als Schiabfahrt genutzten Weide für Mountainbike Downhill-Rennen im Sommer widerspricht der vertraglichen Vereinbarung der Nutzung des Grundstückes zu den Zwecken der Schiabfahrt und stellt daher eine erhebliche und schwere und deshalb unzumutbare Belastung des dienenden Grundstückes dar und ist eine unzulässige Servitutserweiterung.
Aus obigen Beispielen ist klar ersichtlich, dass die Lösung von Fragen betreffend die Problematik "unzulässige Servitutserweiterung" vom Einzelfall abhängt.
In welchen Fällen liegt nun eindeutig keine unzulässige Servitutserweiterung vor?
Eine solche liegt dann nicht vor, wenn in Anpassung an die fortschreitende technische Entwicklung statt mit Pferdefuhrwerken mit Kraftfahrzeugen gefahren wird und dadurch eine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Gutes nicht eintritt.
Zulässig ist auch die Beschotterung eines Fahrweges zum Befahren mit Motorfahrzeugen, die beim Betrieb des herrschenden Gutes verwendet werden. Nicht zulässig ist jedoch die Pflasterung oder Beschotterung eines Wiesen- oder Waldweges.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 2008, in dem dieser judiziert hat, dass das Recht des Fahrwegs grundsätzlich auch das Recht inkludiert, schwere Lasten auf dem Weg zu schleifen (z.B. Baumstämme, Holz). Ob das Holzschleifen nun zulässig ist oder nicht, hat der OGH durch eine Interessenabwägung zwischen Dienstbarkeitsberechtigten und Dienstbarkeitsverpflichteten beurteilt.
Eine solche Interessenabwägung muss auch wirtschaftliche Vorteile und Nachteile einbeziehen. Im konkreten Fall wurden die Interessen des Dienstbarkeitsberechtigten als überwiegend erachtet, da er bei einer anderen Holzbringung als der des Schleifens gravierende wirtschaftliche Nachteile zu tragen gehabt hätte.
Wie kann man sich gegen eine unzulässige Servitutserweiterung zur Wehr setzen?
Es gibt hier zwei Möglichkeiten. Innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Kenntnis der Besitzstörung und des Besitzstörers kann der Grundstückseigentümer bzw. Pächter eines Grundstückes beim Bezirksgericht eine Besitzstörungsklage gegen den Besitzstörer einbringen.
Achtung
Die Besitzstörungsklage muss bereits spätestens am dreißigsten Tag beim Bezirksgericht eingelangt sein. Dies bedeutet, dass das Absenden der Klage am dreißigsten Tag
bereits in den meisten Fällen zu spät sein wird.
Für den Fall des Versäumens der dreißigtägigen Klagsfrist hat man nur mehr die Möglichkeit eine sogenannte Unterlassungsklage bei Gericht einzubringen. Darunter versteht man eine Klage auf Unterlassung derjenigen Handlungen, die den Kläger (Grundstückseigentümer) in seinen Rechten verletzen (z. B. Befahren eines Weges ohne jedwede vertragliche Vereinbarung und ohne das Wegerecht ersessen zu haben oder Verbreiterung des Weges auf eine Art, die die vertraglich festgelegte Breite eindeutig überschreitet).