Neue Strategische Leitlinien für die EU-Aquakultur: Wohin soll die Reise gehen?
Warum ist Aquakultur wichtig?
Wussten Sie, dass mehr als die Hälfte der weltweit für den menschlichen Verzehr bestimmten Fische und anderen aquatischen Lebensmittel aus der Aquakultur stammen? Tatsächlich ist die Zucht von Fischen und Schalentieren weltweit betrachtet die in den vergangenen Jahrzehnten am schnellsten wachsende Branche in der Lebensmittelproduktion. Dieses Wachstum wird sich global betrachtet weiter fortsetzen. In der EU zeigt sich allerdings ein anderes Bild.
Fakten zur EU Aquakultur
Die EU importierte im Jahr 2018 über 70% der Fische und Meeresfrüchte, die verbraucht wurden. Lediglich 25% vom Gesamtverbrauch an Fisch und Meeresfrüchten eines durchschnittlichen EU-Bürgers kamen im Jahr 2018 aus der Aquakultur. Die EU-Aquakulturproduktion deckt nur 10% der in der EU verzehrten Fische/Meeresfrüchte ab und macht weniger als 2% der Weltproduktion aus. Fast 70% der EU-Aquakulturproduktion kommt von vier Mitgliedstaaten und zwar aus Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland.
Was sind die Vorteile der Aquakultur?
Die Europäische Kommission sieht daher ein großes Potenzial für weiteres Wachstum der europäischen Aquakultur. Es sei aber wichtig, das weitere Wachstum so zu unterstützen, dass die Umwelt erhalten bleibt, mehr Arbeitsplätze entstehen und eine positive wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums gefördert wird. Die EU-Kommission schlussfolgert, dass die Aquakultur, wenn sie auf eine nachhaltige Weise betrieben wird, zur Lösung einiger der dringendsten Probleme unserer Zeit beitragen kann, denn sie liefert nahrhafte, gesunde und vielfältige Lebensmittel für eine wachsende Bevölkerung und verringert damit die Notwendigkeit mehr Wildfische zu fangen, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Somit unterstützt sie den Erhalt der natürlichen Meeres-Fischbestände. Frische und lokale Lebensmittel, sowie Futtermittel werden in der Aquakultur erzeugt. Bei angemessener Bewirtschaftung kann die Aquakultur auch eine Methode für die Proteinerzeugung sein, deren CO2-Bilanz und ökologischer Fußabdruck sehr gering ist. Bestimmte Sparten der Aquakultur erbringen sogar Ökosystemdienstleistungen und bewirken darüber hinaus den Erhalt der Ökosysteme und der Artenvielfalt.
Wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit im Fokus
Bereits 2013 wurde über die Gemeinsame Fischereipolitik ein koordinierter strategischer Ansatz der EU gefordert, um das Wachstum des EU-Aquakultursektors zu unterstützen und gleichzeitig seine wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sicherzustellen. Aquakultur ist eine komplexe Tätigkeit, die viele Aspekte umfasst, wie beispielsweise die Nutzung von Wasser sowie von Grund und Boden, die Sorge um die Gesundheit und das Wohlergehen der gezüchteten Tiere und die Sicherheit der im Zuchtprozess verwendeten Produkte (wie Futtermittel oder tierärztliche Behandlungen) für die Umwelt und für die menschliche Gesundheit. Es gibt einen umfangreichen Bestand an EU-Rechtsvorschriften zu diesen Themen, welche die europäischen Aquakulturproduzenten einhalten müssen.
Die Neuen Strategischen Leitlinien als Teil des "EU-Green Deals“
Die Leitlinien bieten der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und den relevanten Stakeholdern eine gemeinsame Vision für die Weiterentwicklung des Sektors auf eine Art und Weise, die unmittelbar zum europäischen Grünen Deal und insbesondere zur Strategie "Vom Hof auf den Tisch“ beitragen soll. Bei der Ausarbeitung wurden die EU-Mitgliedstaaten, der Aquakultursektor und andere interessierte Gruppen und Bürger einbezogen.
Eine gemeinsame Vision, vier Hauptziele und viele Ansatzpunkte
Die gemeinsame Vision zielt darauf ab, dass verschiedene Herausforderungen und Chancen des EU-Aquakultursektors in Angriff genommen werden, um die folgenden ineinandergreifenden vier Hauptziele zu erreichen:
1) Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit aufbauen
1) Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit aufbauen
- Erleichterung des Zugangs zu Raum und Wasser, damit die EU-Aquakultur weiterwachsen kann
- Schaffung eines rechtlichen und administrativen Rahmens, der transparent und effizient ist sowie Verringerung des unnötigen Verwaltungsaufwands für die Genehmigung neuer Aquakulturbetriebe (Stichwort Nationaler One-Stop-Shop als Koordinierungsstelle)
- Förderung der Gesundheit von Tier und Mensch
- Gewährleistung, dass sich die Aquakultur an den Klimawandel anpasst und zur Eindämmung der Klimawandelauswirkungen beiträgt
- Förderung von Erzeuger- und Marktorganisationen, da insbesondere der COVID-19 Ausbruch den Wert dieser Organisationen aufgezeigt hat
- Angemessene Kontrolle der Aquakulturerzeugnisse entlang der gesamten Lieferkette
- Ausbau der Diversifizierung und Wertsteigerung (auch durch Qualitätsregelungen und Gütezeichen)
- Umweltleistung: Ökologische Verträglichkeit des EU-Aquakultursektors weiter verbessern, indem die Auswirkungen der Aquakultur auf die Umwelt noch weiter reduziert werden. Förderung von Aquakultursparten, die Ökosystemleistungen erbringen bzw. niedrige Umweltauswirkungen haben.
- Tierschutz, insbesondere der von Fischen
- Kommunikation im Bereich der EU-Aquakultur und Bereitstellung von mehr und besseren Informationen für Verbraucher*innen und Bürger*innen
- Integration der Aquakultur in lokale Gemeinschaften durch Transparenz und frühzeitige Einbindung lokaler Stakeholder in die Planung von Aquakulturaktivitäten und Förderung von Synergien mit bestehenden Aktivitäten (z.B. Fischerei, Tourismus, verarbeitende Industrie) und Schutzgebieten. Darüber hinaus besteht ein großes Potenzial in der Schaffung lokaler Wertschöpfungsketten und kurzer Versorgungskreisläufe.
- Daten und Überwachung als Grundlage für die Planung von Aquakulturaktivitäten und um die soziale, wirtschaftliche und ökologische Leistung des Aquakultursektors zu bewerten.
- Förderung von fachspezifischer Forschung über Förderinstrumente und Verbreitung von Know-How auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette und der Institutionen.
Um die Ziele der Strategischen Leitlinie zu erreichen und die empfohlenen Maßnahmen umzusetzen, bedarf es jedenfalls der aktiven Unterstützung aller relevanten Akteure, einschließlich der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Aquakulturproduzenten, der Aquakulturindustrie und anderer relevanter Stakeholder. Die Kommission wird spätestens vier Jahre nach der Veröffentlichung die Fortschritte bei der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen und die Effizienz der Maßnahmen im Hinblick auf die Zielerreichung bewerten, wobei die Maßnahmen dann auch entsprechend angepasst werden können. Zur Finanzierung sollen die verschiedenen EU-Förderprogramme dienen (EMFAF, Horizont 2020 bzw. Horizont Europa, Programm für die Umwelt- und Klimapolitik (LIFE+), etc.).
Links zu den Quellen:
Strategische Leitlinien für eine nachhaltigere und wettbewerbsfähigere Aquakultur in der EU für den Zeitraum 2021-2030 - Dokument 1 und 2 veröffentlicht von der Europäischen Kommission:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52021DC0236&from=EN
Eine neue strategische Perspektive für nachhaltige Aquakultur und Konsum in der Europäischen Union. Aquakultur und der europäische Grüne Deal (sechsseitige Kurzfassung):
https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/e8bd0eb1-093a-11ec-b5d3-01aa75ed71a1
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52021DC0236&from=EN
Eine neue strategische Perspektive für nachhaltige Aquakultur und Konsum in der Europäischen Union. Aquakultur und der europäische Grüne Deal (sechsseitige Kurzfassung):
https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/e8bd0eb1-093a-11ec-b5d3-01aa75ed71a1