Schulterschluss beruhigt Schweinemarkt
Der befürchtete Schweinepreisverfall wurde in Österreich abgewendet. Wie gelang diese Abkoppelung vom deutschen Preisgefüge?
Kurt Tauschmann: Wir haben einen Schulterschluss zwischen Bauern, Verarbeitern, Vermarktern und Lebensmittelhandel geschmiedet. Dieser hat auch deshalb gehalten, weil wir seit Jahrzehnten mit allen an der Wertschöpfungskette Beteiligten eine gute Gesprächskultur pflegen. Diese gibt es so in Deutschland nicht. Deshalb waren die Preisrücknahmen bei uns minimal. Erstmals haben wir in dieser sensiblen Marktphase den Erzeugerpreis für zwei Wochen festlegen können, um den Markt zu beruhigen.
Wird dieser Schulterschluss weiter halten?
Wir setzen kurzfristig alles daran, den Schweinepreis in Österreich auf dem bestehenden Niveau zu stabilisieren. Unser großes Ziel ist, uns weiter vom deutschen Markt abzukoppeln.
Schweinepest an einem Wildschwein im deutschen Brandenburg nahe der polnischen Grenze: Reagiert der Markt hier nicht viel zu unverhältnismäßig?
Leider wird auf den asiatischen Märkten nicht zwischen Schweinepest bei Wildschweinen und Hausschweinen unterschieden. Deutschland arbeitet daran, den Chinesen ein sogenanntes Regionalisierungsmodell schmackhaft zu machen. Dabei versucht man, nur jene Regionen, die tatsächlich von einem Schweinepestfall betroffen sind, vom Export zu sperren. Ich hoffe, dass die deutschen Diplomaten praktikable Verhandlungsergebnisse erreichen.
Eine Sperre Deutschlands in Ostasien könnte ja eventuell für andere EU-Länder wie beispielsweise Österreich Vorteile bringen?
Österreich hat im Reich der Mitte einen sehr guten Ruf und wird als zuverlässiger Lieferant angesehen. Bisher durften unsere für China zertifizierten Schlachtbetriebe Nebenprodukte wie Bauchfleisch oder Knochen liefern. Wir hätten ausreichend Lieferchancen, können aber die große Nachfrage nicht bedienen.
In der Warteschleife ist derzeit das Abkommen, das auch die Lieferung von lukrativen Produkten wie Pfoten, Köpfe und Ohren ermöglicht. Hier sind lediglich noch ein paar Detailfragen zu klären. Ich erwarte heuer noch einen Abschluss.
Was können die Schweinebauern, aber auch die Bevölkerung tun, um eine Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern?
Für uns liegt die Gefahr in Ungarn, wo zuletzt 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt ein Fall aufgetreten ist. Ich appelliere an alle Schweinebauern, keine ausländischen Heupellets und Luzerne zu verfüttern. Diese Futtermittel könnten kontaminiert sein, sie müssen unbedingt aus der Ration genommen werden. Eine sehr große Risikoquelle sind Jagdausflüge nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Meine große Bitte geht an die Jäger, solche Ausflüge zu unterlassen. Auch von Freilandhaltungen gehen große Gefahren aus. Hier ersuche ich, alle Biosicherheitsvorschriften einzuhalten, um Übertragungen zu verhindern. Schließlich fordere ich eine Abschussprämie für Wildschweine.
Ein Blick in die Zukunft: 2033 müssen die neuen Abferkelboxen umgesetzt sein. Für die Schweinebauern sind solche Umbauten nicht einfach zu stemmen. Wie sorgen Sie vor?
Wir haben alle Hände voll zu tun, um die Schweinebestände in der Steiermark zu halten. Ich kämpfe für eine wesentlich höhere Investitionsförderung für solche Tierwohlmaßnahmen sowie für höhere Förderobergrenzen. Hier muss sich einiges bewegen. Auch für den Bau von Tierwohlställen ist eine höhere Investitionsförderung notwendig. Unsere jungen Schweinebauern sehen Investitionen in Tierwohlställe sehr positiv. Das Problem der höheren Stallbaukosten ist mit einer höheren Investitionsförderung zu beantworten.
Ein kleiner Zeitraffer: Wo sehen Sie die steirische Schweinewirtschaft in 15 Jahren?
Die Konsumenten und die Politik müssen den Weg für einen Schweinefleisch-Konsum ohne schlechtem Gewissen frei machen. Das bedeutet im Klartext: Den Wert des Schweinefleisches erhöhen und eine wesentlich bessere Investitionsförderung für Tierwohlställe. Ich gehe davon aus, dass 2023 kein Spaltenboden mehr gefördert wird. Ich bin auch überzeugt, dass in den nächsten 15 Jahren Tierwohlställe bei Neu- und Umbauten die Regel sein werden.
Es müssen auch die Konsumenten mitspielen. Bisher können sie die heimische Herkunft von Lebensmitteln und Speisen mit Fleischanteil kaum erkennen.
Das ist eine große Baustelle, die zu erledigen ist. Fleisch aus teureren Tierwohl-Haltungen kann nicht zu Weltmarktpreisen angeboten werden. Die Politik hat hier die Wege zu ebnen. Erstens brauchen wir eine nachvollziehbare Kennzeichnung von verarbeiteten Fleischprodukten wie Wurst oder Gulasch. Und zweitens ist Glaubwürdigkeit an den Tag zu legen. Wenn uns der Staat strengere Tierwohl-Regeln auferlegt, dann muss Tierwohlfleisch auch in den öffentlichen Kantinen angeboten werden. Eine verpflichtende Kennzeichnung der Fleischherkunft in öffentlichen Großküchen und in der Gastronomie ist dringend erforderlich.
Das steht ohnehin im Regierungsprogramm.
Ich bin hier schon ungeduldig. Der zuständige Gesundheitsminister soll endlich handeln.