Landwirtschaft 2022: Herausforderungen & Perspektiven
Die 35.000 steirischen Bauernfamilien tragen mit ihren vielfältigen Leistungen wesentlich zur Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, hohen Lebensqualität in der Steiermark sowie dem Erfolg des steirischen Tourismus bei. Allein im Grünen Herz Österreichs sichert die Land- und Forstwirtschaft gemeinsam mit den nachgelagerten Verarbeitungsbetrieben direkt 100.000 Arbeitsplätze.
Preissteigerungen bedrohen Versorgungssicherheit
„Eine der größten Herausforderungen in diesem Jahr sind die enormen Kostensteigerungen bei Energie, Futter- und Düngemitteln“, erläutert Agrarlandesrat Hans Seitinger. Konkret sind die Kosten für Sprit um rund 25 Prozent, Futtermittel teilweise um 80 Prozent und Düngemittel um durchschnittlich 70 Prozent gestiegen. Die globalen Harnstoffpreise (Dünger) sind seit Jänner 2021 von 250$ auf 850$ gestiegen und der Börsenpreis für Brotgetreide hat um 86 Prozent zugelegt. „Wenn unsere Bauern diese Preisexplosion schlucken müssen, ist das der wirtschaftliche Untergang. In dieser angespannten Situation braucht es daher einen Schulterschluss zwischen Landwirtschaft, Handel und Konsumenten um die Versorgungssicherheit und Ernährungssouveränität zu erhalten“, so Seitinger.
Klimakrise nur durch Ausstieg aus fossiler Energie und mit erneuerbarer Energie zu lösen. Nein zu Grünwaschen von Atomkraft!
Die Landwirtschaft ist nicht nur massiv vom Klimawandel betroffen, die heimischen Bauern leisten auch einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Allein der jährliche Holzzuwachs in der Steiermark speichert 8.000.000 Tonnen CO2. Auch im Bereich der Energieversorgung leistet die heimische Landwirtschaft einen enormen Beitrag, wie Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher erläutert: „Die Klimakrise ist nur durch erneuerbare Energie zu lösen und nicht durch Grünwaschen von Atomkraft oder durch Nutzungseinschränkungen und Außernutzung-Stellen unserer Wälder.“ Unsere Bauern als Bioenergie-Pioniere versorgen jetzt schon 237.000 steirische Haushalte mit Wärme aus nachwachsender Biomasse sowie 70.000 Haushalte mit Ökostrom. Weiters könnten sie fünf Millionen Quadratmeter an landwirtschaftlichen Dachflächen mit Fotovoltaik-Anlagen ausstatten, doch dazu braucht es gemeinsame Lösungen beim Netzzugang. Großes Potenzial haben intelligente Fotovoltaik-Doppelnutzungen mit Spezialkulturen oder Geflügel. Hier haben die Geflügelbauern Großes vor: Sie wollen stromautark werden, indem sie ihre Hühnerweiden zur Ökostromproduktion mittels Fotovoltaik nutzen. Ein klares Nein kommt von Präsident Franz Titschenbacher zu Fotovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Vorrangflächen, also besten Acker- und Grünlandflächen.
Heimische Bauern sind Boden- und Wasserschützer
Einen besonderen Fokus legen die steirischen Bauern und die Landwirtschaftskammer auf einen aktiven und intelligenten Boden- und Wasserschutz. Ein wichtiger Schlüssel dafür ist das Anlegen von Blühflächen sowie Zwischenfrüchten. Diese sind einerseits ein Wellnessprogramm für Regenwürmer, Bodenleben, Bienen und Wildinsekten. Andererseits vermehren blühende Zwischenfrüchte den Humus und können mehr Wasser speichern, sodass die Pflanzen besser vor Trockenheit und die Böden besser vor Erosionen geschützt sind. Ziel ist es, dass pro Starkregen jeder Quadratmeter Ackerboden um zehn Liter mehr Wasser speichert. Pro Hektar sind das im Schnitt zusätzlich 100.000 Liter. Das Potenzial dafür liegt bei hervorragenden 20.000 Hektar in der Steiermark. Außerdem haben steirische Gemeinden höchstes Interesse an diesen sogenannten „Retentionsböden“, um sich aufwändige und teure Hochwasserrückhaltebecken zu ersparen.
Frauenpower auf den Höfen im Vormarsch
Schon mehr als ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in der Steiermark werden von Frauen geführt, die als bäuerliche Unternehmerinnen eine wichtige Stellung auf den Höfen und im ländlichen Raum haben. „Die Bäuerinnenorganisation der Landwirtschaftskammer stärkt die Kompetenzen der Bäuerinnen, damit dieser abwechslungsreiche Beruf für junge Frauen am Land attraktive Entwicklungsmöglichkeiten bietet“, betont Landesbäuerin Viktoria Brandner. Vor allem die interessanten Erwerbskombinationen wie Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof oder Green Care bieten hervorragende Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen am Land. Gleichzeitig setzt sich die Landesbäuerin auch für entsprechende Entlastungen in der Kinderbetreuung und Pflege ein. Brandner: „Öffentliche Investitionen in Kinderbetreuung und Pflege sind ein gut angelegtes Geld, sie sind ein langfristiger Wirtschafts-Booster“.
Herkunftskennzeichnung: Taktieren muss ein Ende haben
Titschenbacher mahnt auch die im Regierungsprogramm fixierte Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Nudeln und Co. sowie in der Gemeinschaftsverpflegung ein. Der Präsident: „Kein Bauer und kein Konsument kann nachvollziehen, warum der Gesundheitsminister bei diesem wichtigen Thema so lange zögert. In der derzeitigen Corona-Lage die schwer geschädigte Gastronomie zum Zankapfel zu erklären, ist ein falsches Spiel. Der Gesundheitsminister sollte sich einen Ruck geben – im Sinne unserer Bauern, der Konsumenten und der Tiere. Dieses Taktieren muss ein Ende haben.“
Digitalisierung als Chance
Auch in der Land- und Forstwirtschaft nimmt der Einsatz von neuen Technologien beständig zu. Neben kleinsten Sensoren zur Überwachung der Tiergesundheit sowie digitalen Marketingaktivitäten können Innovationen im landwirtschaftlichen Bereich auch zur Reduktion des Düngemitteleinsatzes führen. „Wir arbeiten gemeinsam mit anderen Bundesländern intensiv an neuen Technologien. Sehr vielversprechend ist etwa der Einsatz von Drohnen auf den Äckern und Wäldern. Damit kann sehr schnell, punktgenau und damit auch ressourcenschonend auf Bedrohungen reagiert werden“, erklärt Landesrat Hans Seitinger, der in diesem Zusammenhang auch darauf verweist, dass die Steiermärkische Landesregierung den Breitbandausbau in den Regionen forciert und damit die Grundlage für den Einsatz neuer Technologien liefert.
Bäuerinnen sind Brückenbauerinnen zur Gesellschaft – Offensive: Schule trifft Bauernhof.
Die Landwirtschaft wird in der Öffentlichkeit nicht immer so dargestellt wie sie wirklich ist. Um ein realistisches Bild der Landwirtschaft zu vermitteln, setzen die Bäuerinnen heuer als besonderen Schwerpunkt auf einen realitätsbezogenen Wissenstransfer zu Schulen. Unter dem Motto „Schule trifft Bauernhof“ werden 500 steirische Bäuerinnen in fast allen steirischen Volksschulen die Klassenzimmer in einen ´Bauernhof´ umgestalten. Umgekehrt verwandeln immer mehr „Schule am Bauernhof“-Betriebe ihre Höfe in ein Klassenzimmer. Brandner: „Wir starten heuer eine besondere Offensive und wollen dieses wertvolle Angebot von aktuell 80 auf etwa 100 Höfe erhöhen."
Den Jungen gehört die Zukunft
Im europäischen Jahr der Jugend wird die Landwirtschaftskammer auch besondere Aktivitäten für die bäuerliche Jugend setzen. Titschenbacher: „Wir werden zehn jungen Bäuerinnen und Bauern durch Praktika in den europäischen Institutionen die Möglichkeit eröffnen, Europa besser kennenzulernen." Darüber hinaus wird die Woche der Landwirtschaft ganz im Zeichen der bäuerlichen Jugend und ihren Innovationen stehen.
Appell an die Naturnutzer: Bitte Spielregeln beachten
Einen flammenden Appell richtet die Landesbäuerin auch an alle Naturnutzer – anlassbezogen für den boomenden Bereich des Tourengehens – die Spielregeln im Winter und im Sommer für die Freizeitnutzung zu beachten. Brandner: „Bitte bleibt auf den angegebenen Routen. Das Wild braucht Ruhe und die jungen Bäumchen Jahrzehnte bis sie vor Lawinen und Vermurungen schützen können. Scharfe Stahlkanten ruinieren aber ein kleines Bäumchen in nur wenigen Sekunden.“