“Haben den Kollaps der Märkte verhindert“
Herr Sektionschef, Sie sind einer der zentralen Covid-Krisenmanager der Landwirtschaft. Welche Schritte haben Sie als erste gesetzt?
Das Wesentlichste war uns im Ministerium, dass Landwirtschaft und Lebensmittelversorgungskette umgehend als systemrelevant anerkannt wurden. Um eine freie, aber sichere Produktion zu gewährleisten, waren wir auch gefordert, den Bäuerinnen und Bauern möglichst viele Informationen zur Verfügung zu stellen. Gleich am ersten Tag der Covid-Krise haben wir im Ministerium den Einsatzstab Lebensmittelversorgung auf die Beine gestellt. In Zusammenarbeit mit Handel, Verarbeitung und Primärproduktion haben wir täglich einen Lagebericht erstellt. Auf Basis dessen konnte der Krisenstab der Bundesregierung und insbesondere unsere Frau Bundesminister Entscheidungen treffen. Es war sehr herausfordernd, aber auch äußerst spannend, viele Themen im Sinne unserer bäuerlichen Betriebe lösen zu können.
Gibt es diesen Einsatzstab noch?
Ja, die Covid-Krise ist ja noch nicht vorbei. Natürlich ist der Einsatzstab etwas mehr in den Hintergrund gerückt, weil sich die Situation bis zu einem gewissen Grad stabilisiert hat. Unser Hauptaugenmerk liegt derzeit darauf, wie sich die Märkte auf nationaler und europäischer Ebene entwickeln, um möglichst rasch Maßnahmen ergreifen zu können. Sollte eine zweite Welle kommen, kann der Einsatzstab innerhalb weniger Stunden wieder voll hochgefahren werden.
Worum ging es bei den Studien, die bei der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) beauftragt wurden?
Aufbauend auf unserer guten Datenlage, haben wir bei der Bundesanstalt Analysen beauftragt, um die wesentlichsten Märkte - Milch, Rind-, Kalb-, Schweine-, Gefügelfleisch, Gemüse, Spezialkulturen -, aber auch die Arbeitskräftesituation genauer einschätzen zu können. Wir wollten wissen, welche Auswirkungen etwa bestimmte Preissituationen oder Grenzschließungen hätten. Uns ist es wichtig, nicht auf Zuruf zu agieren, sondern auf Basis von Fakten zu entscheiden. Daher bauen wir diese Analysen weiter aus. Unsere Bundesanstalt leistet hervorragende Arbeit und auch die Landwirtschaftskammern und anderen Institutionen arbeiten sehr gut zu.
Was sind bisher die wichtigsten Erkenntnisse von Einsatzstab und Studien? Wo gab es Probleme?
Es hat sich bewiesen, dass wir in Österreich eine sehr gut organisierte Lebensmittelversorgung und Informationslage haben. Die hohe Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften in manchen Sektoren war aber schon eine Herausforderung. In der Gemüseproduktion etwa beträgt die Abhängigkeit 80 bis 90%. Ähnlich sieht es im Schlacht- und Zerlegebereich aus. Wären die Grenzen plötzlich völlig zugegangen, was auch zur Diskussion stand, dann wäre die Frischfleischversorgung innerhalb einer Woche nicht mehr gewährleistet gewesen. Die Lage in den ersten Wochen war schon sehr, sehr ernst. Wir haben auf allen Ebenen intensivst verhandelt, damit dieser freie Personenverkehr gewährleistet geblieben ist. Ebenso wichtig war der freie Warenverkehr.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Wir sind insbesondere in den letzten zehn, 15 Jahren mit der Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe einen sinnvollen, nachhaltigen Weg gegangen. Es ist eine sehr hohe Krisenfestigkeit vorhanden. Das neue Regionalitätsbewusstsein gilt es zu nutzen und zu stärken. Klar ist aber schon, wie wichtig offene Grenzen sind. Wir leben innerhalb der EU. Nationalisierungstendenzen sind fehl am Platz. Es ist entscheidend, dass der gemeinsame Markt funktioniert. Natürlich wollen wir den österreichischen Markt stärken, das ist keine Frage, aber wir sind in bestimmten Bereichen wie Milch und Rindfleisch sehr exportorientiert. Deswegen ist der freie Warenverkehr ganz ein wesentlicher Punkt. Wären die Grenzen vollkommen zugegangen, wären viele Märkte kollabiert.
In welchen Bereichen gab bzw. gibt es die meiste Zusammenarbeit mit den LK?
Von Anfang an gab es in unzähligen Bereichen eine sehr gute und intensive Kooperation mit den Landwirtschaftskammern und der LKÖ, vielen Dank dafür. Wir haben gemeinsam Leitlinien erarbeitet, wie etwa mit Tierversteigerungen, Bauernmärkten oder Erntearbeiten umzugehen ist. Die LK waren auch wichtig, um diese und weitere Informationen über diverse Kanäle zu den Bäuerinnen und Bauern zu bringen. Eine intensive Zusammenarbeit gab es ebenso beim Thema Arbeitskräfte. Neben Lösungen für Schlüsselkräfte wurde auch auf Initiative der LK NÖ gemeinsam die Lebensmittelhelfer-Plattform geschaffen, nahezu von 0 auf 100. Ebenso wurden alle Unterstützungsmaßnahmen intensiv abgestimmt.
Was ist weiter geplant?
Wir wollen genau herausfinden, wie sich die österreichische Landwirtschaft noch besser positionieren und gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Daher haben wir mit dem Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und der BAB ein umfangreiches Projekt mit dem Titel “lessons learned” (“gelernte Lektionen”) gestartet. Darauf aufbauend wollen wir in der neuen GAP-Periode entsprechende Maßnahmen setzen. Es geht u. a. auch um mehr Unabhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften.
Welche Erwartungen haben Sie generell für die agrarischen Märkte?
Wir gehen davon aus, dass es keine stärkeren Einbrüche auf den agrarischen Märkten geben sollte. Die Märkte haben sich mehr oder weniger stabilisiert, aber natürlich beobachten wir die Entwicklungen sehr intensiv. Wir wollen insbesondere auf EU-Ebene einhaken und Maßnahmen setzen, aber auch national unterstützen. Ein positives Beispiel ist der Rindfleischmarkt, der unter besonders hohem Druck stand. Gemeinsam mit der Arge Rind und den Bundesländern ist es uns gelungen, eine Preisstabilisierung und neue Absatzmärkte zu erreichen. Hier konnten wir mit finanzieller Unterstützung einen mehrfachen Effekt erreichen.
Das Wesentlichste war uns im Ministerium, dass Landwirtschaft und Lebensmittelversorgungskette umgehend als systemrelevant anerkannt wurden. Um eine freie, aber sichere Produktion zu gewährleisten, waren wir auch gefordert, den Bäuerinnen und Bauern möglichst viele Informationen zur Verfügung zu stellen. Gleich am ersten Tag der Covid-Krise haben wir im Ministerium den Einsatzstab Lebensmittelversorgung auf die Beine gestellt. In Zusammenarbeit mit Handel, Verarbeitung und Primärproduktion haben wir täglich einen Lagebericht erstellt. Auf Basis dessen konnte der Krisenstab der Bundesregierung und insbesondere unsere Frau Bundesminister Entscheidungen treffen. Es war sehr herausfordernd, aber auch äußerst spannend, viele Themen im Sinne unserer bäuerlichen Betriebe lösen zu können.
Gibt es diesen Einsatzstab noch?
Ja, die Covid-Krise ist ja noch nicht vorbei. Natürlich ist der Einsatzstab etwas mehr in den Hintergrund gerückt, weil sich die Situation bis zu einem gewissen Grad stabilisiert hat. Unser Hauptaugenmerk liegt derzeit darauf, wie sich die Märkte auf nationaler und europäischer Ebene entwickeln, um möglichst rasch Maßnahmen ergreifen zu können. Sollte eine zweite Welle kommen, kann der Einsatzstab innerhalb weniger Stunden wieder voll hochgefahren werden.
Worum ging es bei den Studien, die bei der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) beauftragt wurden?
Aufbauend auf unserer guten Datenlage, haben wir bei der Bundesanstalt Analysen beauftragt, um die wesentlichsten Märkte - Milch, Rind-, Kalb-, Schweine-, Gefügelfleisch, Gemüse, Spezialkulturen -, aber auch die Arbeitskräftesituation genauer einschätzen zu können. Wir wollten wissen, welche Auswirkungen etwa bestimmte Preissituationen oder Grenzschließungen hätten. Uns ist es wichtig, nicht auf Zuruf zu agieren, sondern auf Basis von Fakten zu entscheiden. Daher bauen wir diese Analysen weiter aus. Unsere Bundesanstalt leistet hervorragende Arbeit und auch die Landwirtschaftskammern und anderen Institutionen arbeiten sehr gut zu.
Was sind bisher die wichtigsten Erkenntnisse von Einsatzstab und Studien? Wo gab es Probleme?
Es hat sich bewiesen, dass wir in Österreich eine sehr gut organisierte Lebensmittelversorgung und Informationslage haben. Die hohe Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften in manchen Sektoren war aber schon eine Herausforderung. In der Gemüseproduktion etwa beträgt die Abhängigkeit 80 bis 90%. Ähnlich sieht es im Schlacht- und Zerlegebereich aus. Wären die Grenzen plötzlich völlig zugegangen, was auch zur Diskussion stand, dann wäre die Frischfleischversorgung innerhalb einer Woche nicht mehr gewährleistet gewesen. Die Lage in den ersten Wochen war schon sehr, sehr ernst. Wir haben auf allen Ebenen intensivst verhandelt, damit dieser freie Personenverkehr gewährleistet geblieben ist. Ebenso wichtig war der freie Warenverkehr.
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Wir sind insbesondere in den letzten zehn, 15 Jahren mit der Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe einen sinnvollen, nachhaltigen Weg gegangen. Es ist eine sehr hohe Krisenfestigkeit vorhanden. Das neue Regionalitätsbewusstsein gilt es zu nutzen und zu stärken. Klar ist aber schon, wie wichtig offene Grenzen sind. Wir leben innerhalb der EU. Nationalisierungstendenzen sind fehl am Platz. Es ist entscheidend, dass der gemeinsame Markt funktioniert. Natürlich wollen wir den österreichischen Markt stärken, das ist keine Frage, aber wir sind in bestimmten Bereichen wie Milch und Rindfleisch sehr exportorientiert. Deswegen ist der freie Warenverkehr ganz ein wesentlicher Punkt. Wären die Grenzen vollkommen zugegangen, wären viele Märkte kollabiert.
In welchen Bereichen gab bzw. gibt es die meiste Zusammenarbeit mit den LK?
Von Anfang an gab es in unzähligen Bereichen eine sehr gute und intensive Kooperation mit den Landwirtschaftskammern und der LKÖ, vielen Dank dafür. Wir haben gemeinsam Leitlinien erarbeitet, wie etwa mit Tierversteigerungen, Bauernmärkten oder Erntearbeiten umzugehen ist. Die LK waren auch wichtig, um diese und weitere Informationen über diverse Kanäle zu den Bäuerinnen und Bauern zu bringen. Eine intensive Zusammenarbeit gab es ebenso beim Thema Arbeitskräfte. Neben Lösungen für Schlüsselkräfte wurde auch auf Initiative der LK NÖ gemeinsam die Lebensmittelhelfer-Plattform geschaffen, nahezu von 0 auf 100. Ebenso wurden alle Unterstützungsmaßnahmen intensiv abgestimmt.
Was ist weiter geplant?
Wir wollen genau herausfinden, wie sich die österreichische Landwirtschaft noch besser positionieren und gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Daher haben wir mit dem Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und der BAB ein umfangreiches Projekt mit dem Titel “lessons learned” (“gelernte Lektionen”) gestartet. Darauf aufbauend wollen wir in der neuen GAP-Periode entsprechende Maßnahmen setzen. Es geht u. a. auch um mehr Unabhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften.
Welche Erwartungen haben Sie generell für die agrarischen Märkte?
Wir gehen davon aus, dass es keine stärkeren Einbrüche auf den agrarischen Märkten geben sollte. Die Märkte haben sich mehr oder weniger stabilisiert, aber natürlich beobachten wir die Entwicklungen sehr intensiv. Wir wollen insbesondere auf EU-Ebene einhaken und Maßnahmen setzen, aber auch national unterstützen. Ein positives Beispiel ist der Rindfleischmarkt, der unter besonders hohem Druck stand. Gemeinsam mit der Arge Rind und den Bundesländern ist es uns gelungen, eine Preisstabilisierung und neue Absatzmärkte zu erreichen. Hier konnten wir mit finanzieller Unterstützung einen mehrfachen Effekt erreichen.
Sektionschef im BMLRT
Der gebürtige Zillertaler Bergbauernsohn und studierte Agrarexperte Dipl.-Ing. Johannes Fankhauser (48) ist seit Mai 2018 Sektionschef im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT). Alle landwirtschaftlichen Produktions-, Markt- und Politikbereiche auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene fallen in seinen Zuständigkeitsbereich, ebenso wie die Ländliche Entwicklung. Zusätzlich sind drei Bundesanstalten seiner Sektion zugeordnet. Davor war Fankhauser u. a. viele Jahre als Abteilungsleiter an der LK Österreich und als Agrarreferent in Ministerkabinetten tätig.