Bessere Unterstützung für bäuerliche Familienbetriebe
Die Zukunft der 36.534 steirischen Bauernfamilien hängt maßgeblich von den neuen Spielregeln der EU-Agrarpolitik von 2021 bis 2027 ab, die derzeit verhandelt werden. „Es ist für die heimischen Bäuerinnen und Bauern als aktive Klimaschützer inakzeptabel, dass die EU-Kommission trotz positiver Umweltleistungen den Sparstift bei ihnen ansetzen will. Mehr Leistungen für weniger Geld, geht nicht“, wehrt sich Kammer-Präsident Franz Titschenbacher gegen die angekündigten Kürzungen, die nur den Agrarsektor treffen. Und weiter: „Unsere Bergbauern, Biobauern, Jungbauern und die tausenden Bauern, die gemäß Umweltprogramm umweltfreundlich wirtschaften und wichtige Wirtschaftsmotoren im ländlichen Raum sind, haben sich das nicht verdient. Wir kämpfen massiv gegen eine Kürzung.“
Herzensanliegen bäuerliche Familienbetriebe: Bessere Unterstützung für kleinere und mittlere Betriebe
„Unsere bäuerlichen Familienbetriebe, die selbst für EU-Agrarkommissar Januz Wojciechowski Vorbildwirkung haben, sind mir ein Herzensanliegen“, sagt Titschenbacher. Er verlangt, wie in Deutschland schon praktiziert, eine Verbesserung für die kleinen und mittleren bäuerlichen Familienbetriebe: „Sie brauchen für die ersten 20 Hektar eine bessere Unterstützung (top up), was von der Bevölkerung auch positiv beurteilt wird.“ Zum Green Deal der EU, der eine Nachverhandlung des EU-Agrarbudgets erfordert, sagt der Präsident: „Eine klimafreundliche Landwirtschaft gehört belohnt. Neue und zusätzliche Klimaschutzauflagen für die Bauern gibt es nur mit einem zusätzlichen Budget und nicht zum Nulltarif.“ Als aktiver Klimaschützer bindet die Landwirtschaft jährlich das Dreifache der eigenen Emissionen und hat diese seit 1990 als einziger Sektor um 32 Prozent reduziert. Dazu kommt die Forstwirtschaft als großer Klimaheld – wir brauchen rasch nationale Rahmenbedingungen und Planbarkeit.
Ökosozial statt marktradikal: Rindfleisch und Erdbeeren müssen nicht fliegen
Österreich soll sich im Wesentlichen aus eigener Kraft ernähren können, ansonsten sind die Bevölkerung und unser Land verwundbar. Auch der Import von Lebensmitteln, die zu schlechteren Klima- und Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards hergestellt und x-tausende Kilometer nach Europa und Österreich gekarrt werden, schaden dem Klima und unseren bäuerlichen Familienbetrieben. EU-weite C02-Zölle, wofür sich Österreich und die EU einsetzen, sind die richtige Antwort. „Besser ökosozial statt marktradikal, denn ökosozial bedeutet Bauernschutz und Klimaschutz“, sagt Titschenbacher und betont: „Rindfleisch und Erdbeeren müssen nicht fliegen.“
Landesbäuerin Auguste Maier: Heimische Lebensmittel in Großküchen ist Klimaschutz – Taten müssen folgen
„Mit unserer langjährigen Forderung, heimische Lebensmittel in öffentlichen Großküchen zu verarbeiten, sind wir einen wichtigen Schritt weitergekommen. Bundesregierung und Landesregierung bekennen sich dazu“, freut sich Landesbäuerin Auguste Maier und verlangt: „Steiermarkweit ist hier viel zu tun. Jetzt müssen den Ankündigungen auch Taten folgen, damit die Menschen, die in Kantinen, Krankenhäusern, Mensen, Kasernen, Schulen oder Pflegeeinrichtungen essen, auch erfahren, woher ihr Essen kommt.“ Perfektes Role Model dafür ist das Bildungszentrum Steiermarkhof: Dort kommt ein Drittel der Lebensmittel aus dem Umkreis von 30 Kilometern, ein Drittel hat Bioqualität und ein Drittel der Lebensmittel hat rot-weiß-rote Herkunft. Selbst die Getränke kommen direkt vom Bauernhof. Erkennbar ist die heimische Herkunft an der von den Landwirtschaftskammern entwickelten Wortmarke „Gut zu wissen“. Erfreulich: Auch die Barmherzigen Brüder, Kainbach, die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz und das Krankenhaus Theresienhof in Frohnleiten haben sich seit Dezember 2019 mit täglich 3.100 Essen der zertifizierten „Gut zu Wissen“-Initiative angeschlossen.
Mit Store-Checks schenken wir den Konsumenten weiterhin reinen Wein ein
. Die Herkunft der Lebensmittel ist ein großes Thema für die Steirerinnen und Steirer. „Die Store-Checker der Landwirtschaftskammer schützen die Bevölkerung vor Irreführung bei der Herkunftskennzeichnung und schenken ihnen reinen Wein über die tatsächliche Herkunft der Lebensmittel ein“, kündigt die Landesbäuerin weitere diesbezügliche Initiativen an.
Kammerdirektor Werner Brugner: Dienstleistungsunternehmen Landwirtschaftskammer zukunftsfit ausgerichtet
. „In den vergangenen Jahren haben wir das Dienstleistungsunternehmen Landwirtschaftskammer reorganisiert und zukunftsfit ausgerichtet, um in den herausfordernden Zeiten der fortschreitenden Spezialisierung und Digitalisierung sowie des Klimawandels kompetenter und verlässlicher Partner für die Bäuerinnen und Bauern zu sein. Wir sind plangemäß auf gutem Kurs“, sagt Kammerdirektor Werner Brugner. Und weiter: „Wir haben beispielsweise unsere Kräfte in den Bereichen Innovation und Fischzucht verstärkt sowie ein Kompetenz-Zentrum für Acker, Humus und Erosionsschutz eingerichtet, deren Mitarbeiter die Bauern beim Humusaufbau sowie beim Schutz der fruchtbaren Böden vor Klimawandel-Schäden fachlich unterstützen.“
Beratungsleistungen der Kammer sehr gut nachgefragt und sehr gut bewertet
„Die Nachfrage nach kompetenten Beratungsleistungen und Weiterbildungsangeboten ist sehr groß und die Beurteilungen mit der Durchschnittnote 1,59 sehr zufriedenstellend“, freut sich Kammerdirektor Werner Brugner. Die rund 36.534 land- und forstwirtschaftlichen Betriebe haben 142.711 Beratungen in Anspruch genommen, jeder Betrieb holt sich somit im Schnitt viermal jährlich fachlichen Rat von der Landwirtschaftskammer. Des Weiteren besuchen rund 30.000 Bäuerinnen und Bauern die fachlichen Weiterbildungsveranstaltungen des Ländlichen Fortbildungsinstitutes. Spezielle längerdauernde Zertifikatslehrgänge von der Obstverarbeitung bis zur Kräuterpädagogik sowie Webinare, Farminare oder Blended learning-Modelle, bei denen digitales und herkömmliches Lernen kombiniert werden, sind gut nachgefragt. Zusätzlich hat die Lehrlings- und Fachausbildungsstelle 1.079 Facharbeiterbriefe ausgestellt, wobei 322 Personen die Facharbeiterausbildung im zweiten Bildungsweg absolviert haben. Und zur Krönung der landwirtschaftlichen Berufskarriere wurden im vergangenen Jahr 97 Meisterinnen und Meister in den verschiedenen landwirtschaftlichen Sparten ausgebildet.
Nachhaltige Agrarpolitik im neuen Jahrzehnt
Das Jahr 2020 ist agrarpolitisch entscheidend dafür, wie sich die steirische Land- und Forstwirtschaft mittel- und langfristig entwickeln wird. Neben den großen globalen Herausforderungen, wie Klimawandel oder Neugestaltung der EU-Agrarpolitik ab 2021, sind auch auf nationaler Ebene bedeutsame Weichen zur zukunftsfitten Weiterentwicklung der bäuerlichen Familienbetriebe in unserem Land zu stellen.
Für eine nachhaltige Agrarpolitik in diesem Sinne gibt es kein „Allheilmittel“ – vielmehr bedarf es einem vielseitigen Bündel an Maßnahmen und einem Schulterschluss von EU, Bund, Land und der bäuerlichen Interessensvertretung. Für Agrarlandesrat Johann Seitinger ist das „Bauer sein“ in einer Zeit der „Zuvielisation“ nicht einfach, zumal die Wertschätzung für die bäuerliche Arbeit und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht jenem Maße entspricht, das es verdienen würde.
Äußerst positiv stimmt Landesrat Seitinger jedoch, dass der neue EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wie auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger einen besonderen Fokus auf Klein- und Mittelbetriebe legen und er davon ausgeht, dass die notwendigen Weichenstellungen daher auch in diesem Interesse erfolgen. Beide sprechen zudem vom notwendigen „Green Deal“.
Agrarlandesrat Johann Seitinger legt einen Schwerpunkt für die künftige Ausrichtung der Agrarpolitik aus steirischer Sicht auf drei zentrale Bereiche:
1. Klares Bekenntnis zur Regionalität und Qualität
Steirische Lebensmittel werden nach höchsten Standards produziert, die in wesentlichen Bereichen weit über europaweite Vorgaben hinausgehen. Zudem ist der ökologische Fußabdruck durch kurze Transportwege und schonende naturnahe Produktion um ein Vielfaches geringer als bei zum Teil aus fernen Ländern importierten Produkten. Eine dreifache Win-Situation für die Konsumenten, die Landwirtschaft und das Klima ist somit gegeben.
Das klare Bekenntnis der Politik auf Bundes- und Landesebene, in öffentlichen Einrichtungen prioritär heimische Lebensmittel einzusetzen, ist eine zentrale Forderung der steirischen Landwirtschaft. Darüber hinaus muss es gelingen, die Regionalität auch verstärkt in der Gastronomie und privaten Großküchen zu etablieren.
2. Klimawandel macht neue Vorsorgesysteme notwendig
Die Land- und Forstwirtschaft steht aufgrund des Klimawandels wie kein anderer Sektor vor enormen Herausforderungen. Die Zunahme von Extremwetterereignissen, wie Starkregenfälle, Trockenperioden und Spätfrostereignisse, sowie ein zunehmender Schädlingsdruck bedeuten für viele bäuerliche Betriebe in der Steiermark eine existenzielle Bedrohung.
Neue Risiko- und Versicherungssysteme sind daher ein wichtiger Hebel, um die Existenzen vieler Landwirte nachhaltig abzusichern. So wird die Produktpalette der Hagelversicherung laufend weiter ausgebaut und an die neuen Risikofelder angepasst. Besonders erfreulich ist für Seitinger die Erhöhung des Zuschusses aus öffentlichen Mitteln für die Prämien der Risikoversicherung auf 55 Prozent.
Darüber hinaus sind auch innerhalb der Land- und Forstwirtschaft neue Akzente im Sinne der Nachhaltigkeit zu setzen, wie etwa der Humusaufbau oder die Züchtung krankheitsresidenter Sorten.
3. Erweiterung der Herkunftskennzeichnung
Die Angabe der Herkunft bei Lebensmitteln ist EU-weit zwar in einigen Bereichen bereits sehr gut geregelt, es bedarf jedoch bei Herkunftsbezeichnungen und Inhaltsangaben weiterer maßgeblicher Verbesserungen. Dieser Thematik wird derzeit auch in Bund und Land eine besondere Bedeutung beigemessen.
Agrarlandesrat Johann Seitinger dazu: „Es darf für die Konsumenten kein Rätselraten sein, woher das Produkt kommt und was es enthält. Daher braucht es eine klare und einfache Kennzeichnung.“
Zudem muss darauf gedrängt werden, dass der Handel in Österreich keine Lebensmittel mehr in seinen Vitrinen und Regalen anbieten darf, welche aus Tierschutz-, Umweltschutz- oder Pflanzenschutzgründen in Österreich nicht produziert werden dürfen (z.B. Flüssigeier aus Käfighaltung).
Abschließend ist es Seitinger ein besonderes Anliegen, mehr Aufklärung über Lebensmittel und Ernährung in den steirischen Pflichtschulen und Bildungseinrichtungen für Erwachsene anzubieten, um letztendlich auch die drastisch steigenden Gesundheitskosten aufgrund von falscher Ernährung einzudämmen.