Wie hängen Stalltemperatur, Fütterung, Leistung und Tierwohl zusammen?
Geflügel zählt wie die meisten anderen landwirtschaftlich genutzten Tiere zu den Warmblütern. Diese halten ihre Körpertemperatur über einen weiten Bereich der Umgebungstemperatur gleich. Der Klimawandel und seine Folgen führen in der Geflügelwirtschaft zu einem verstärkten Nachdenken über Anpassungsstrategien. Dabei stehen häufig Möglichkeiten zur Beeinflussung der Lufttemperatur im Stall im Mittelpunkt. Aber auch Fütterungsmaßnahmen können einen wesentlichen Beitrag leisten.
Futter als „Heizmaterial“
Grundsätzlich weisen die Prozesse von Verdauung, Stoffwechsel und Bildung von Produkten (Eier, Fleisch, Federn etc.) energetische Wirkungsgrade von weit unter 100 Prozent auf. Das heißt, dass ein erheblicher Teil der mit dem Futter aufgenommenen Energie nicht als Geflügelprodukt oder in den tierischen Ausscheidungen wieder erscheint, sondern als Stoffwechselwärme frei wird. Diese wird bei niedrigen Umgebungstemperaturen zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur genutzt, muss bei hohen Umgebungstemperaturen aber an die Stallumgebung abgegeben werden. Wenn dies nur unzureichend gelingt, trägt sie zum Hitzestress bei, der für das Geflügel je nach Nutzungsrichtung (Fleisch, Eier) und Alter der Tiere unterschiedlich problematisch ist.
Eiweißart ist bedeutend
Grundsätzlich entsteht bei der Verdauung und Weiterverarbeitung von Eiweiß und Kohlehydraten (Stärke, Zucker) im Stoffwechsel mehr Wärme als bei der von Fetten. Die Menge der beim Eiweißabbau entstehenden Stoffwechselwärme hängt wiederum von der Eiweißzusammensetzung, dem Aminosäuren-Muster, ab. Je deutlicher das Aminosäuren-Muster im Futter von dem des Körpereiweißes abweicht, desto höher ist der Wärmeanstieg im Stoffwechsel. Überhöhte Gehalte an Eiweiß im Futter belasten den Stoffwechsel der Tiere und sollten besonders bei hoher Umgebungstemperatur unbedingt vermieden werden. Dies gilt noch mehr, wenn das Futterprotein eine ungünstige Aminosäuren-Zusammensetzung aufweist.
Schlechtere Futterverwertung
Während aus Sicht des Tierwohls unausgeglichen zusammengesetzte Rationen vor allem bei hohen Umgebungstemperaturen problematisch sind, hilft die entstehende Stoffwechselwärme bei niedrigen Umgebungstemperaturen, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Für die Geflügelhalter macht sich dies in einer schlechteren Futterverwertung bemerkbar, was aus wirtschaftlichen Gründen unerwünscht ist: Der futterkostenfreie Rohertrag sinkt.
Reaktion auf Temperatur
Geflügel wird unter den in der Praxis üblichen Bedingungen auf niedrige Umgebungstemperaturen mit Verhaltensanpassungen (Aufplustern des Gefieders, Aufsuchen geschützter Stallbereiche, Zusammendrängen etc.) sowie einer Erhöhung der Futteraufnahme reagieren. Dieser zusätzliche Futterverzehr wird im Normalfall aber nicht zu einer Erhöhung der tierischen Leistung (Zunahmen, Eibildung) führen, sondern wird für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen und der Körpertemperatur verwendet. Die Wirkung hoher Umgebungstemperaturen auf die Tiere hängt ganz wesentlich auch von der relativen Luftfeuchtigkeit ab: Je höher diese ist, desto belastender wirkt Hitze. Legehennen und Broiler in den letzten ein bis eineinhalb Mastwochen zeigen ab etwa 24 Grad Celsius eine Reihe von Anpassungsreaktionen: Durch Aufsuchen kühlerer Stallbereiche, Seitenlage auf kühleren Bodenflächen, Abspreizen der Schwingen und Vergrößerung des Abstandes zu anderen Tieren wird versucht, die Wärmeabstrahlung von der Körperoberfläche zu erhöhen. Das ist für schwere Tiere schwieriger als für leichtere, da sie relativ zu ihrer Körpermasse eine geringere Körperoberfläche (die Wärme abstrahlt) aufweisen. Bei anhaltenden Hitzebedingungen beginnen die Tiere zu „hecheln“ (Steigerung der Atemfrequenz), um die Wasserverdunstung von den Schleimhäuten des Atmungstraktes zu erhöhen. Gleichzeitig versucht das Geflügel, die anfallende Stoffwechselwärme möglichst stark zu vermindern. Daher reduziert es die Futteraufnahme, was aus Sicht der Verminderung des Hitzestresses doppelt wirkt: Es wird sowohl die beim Abbau der Nährstoffe im Futter freiwerdende Wärme geringer, als auch die Wärmeproduktion, die mit der Bildung von Fleisch und Eimasse einhergeht.