Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher: Moderne Technologien unterstützen die Milchbäuerinnen und Milchbauern bei ihrer täglichen harten Arbeit und begünstigen noch mehr Tierwohl, Tiergesundheit sowie eine noch bessere Qualität bei Milch- und Milchprodukten.
Tierfreundlich, gesündere Tiere, höhere Produktqualität und innovativ
Die landwirtschaftlichen Betriebe sind offen für neue Technologien, sehr weit fortgeschritten ist die Digitalisierung und Automatisierung in der Milchviehhaltung. „Der Einsatz von digitalen Technologien im Kuhstall hat zuletzt einen deutlichen Schub erfahren und schafft neben der Arbeitserleichterung für die Bäuerinnen und Bauern vor allem mehr Tierwohl und Tiergesundheit sowie eine höhere Qualität bei den Milchprodukten“, unterstreicht Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Melkroboter sowie Fütterungsroboter, Sensor-Techniken zur Gesundheitsüberwachung, aber auch automatische Futterschieber, Einstreusysteme, elektrische Bürsten und Kuhduschen für mehr Tierwohl halten Einzug in die Kuhställe. „Diese modernen Technologien unterstützen die Milchbauern bei der schweren körperlichen Arbeit, die die volle Einsatzbereitschaft 365 Tage im Jahr ohne Sonn- und Feiertage sowie auf Abruf 24 Stunden am Tag erfordert. Die persönliche, tägliche Betreuung und der sorgsame sowie verantwortungsvolle Umgang mit den Tieren ist durch die Technik aber nicht ersetzbar“, unterstreicht der Kammerpräsident.
Pragmatisch und offen für neue Technologien
Die heimischen Bäuerinnen und Bauern haben grundsätzlich einen pragmatischen Zugang zu neuen Technologien. Um die Betriebe zukunftsfit zu halten und weil immer weniger Arbeitskräfte im Voll- und Nebenerwerb bereitstehen, müssen immer mehr Betriebe moderne Techniken verwenden. Titschenbacher: „Moderne Technologien im Kuhstall müssen nützlich und passend für den Betrieb sein – auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, weil damit sehr hohe Investitionen verbunden sind, die für die Milchbauern sehr herausfordernd sind“. Eine Befragung von keyQuest Marktforschung zum Thema Technologisierung & Digitalisierung in der Landwirtschaft (2021) zeigt, dass weitere 17 Prozent der Milchbauern vorhaben, einen Melkroboter anzuschaffen. Weitere 25 Prozent wollen in Sensoren zur Überwachung der Tiergesundheit und 12 Prozent wollen in automatische Fütterungssysteme investieren.
Milchwirtschaft ist eine sehr herausfordernde Branche
Die heimischen Milchbäuerinnen und Milchbauern müssen sich trotz ihrer Kleinheit und erschwerten Arbeitsbedingungen auf den steilen Hängen im alpinen Raum auf dem harten europäischen Markt behaupten. „Insbesondere in den vergangenen Jahren haben viele kleine Betriebe im Berggebiet ihre Ställe umgebaut und ein besonderes Augenmerk auf mehr Platz und noch mehr Tierwohl, Tierkomfort und Wohlbefinden gelegt“, betont der Kammerpräsident. Es wurde kräftig, Schätzungen zufolge jenseits von 100 Millionen Euro, investiert. Diese sehr hohen Standards werden aber von den Konsumenten zu wenig wertgeschätzt. „Leider stehen im Regal immer mehr No-Name Milch- und Milchprodukte, diese verstärken den Druck auf die Milchbauern erheblich“, sagt der Kammerpräsident. Konkret ist der Anteil der No-Name-Milchprodukte im Handel in den vergangenen Jahren auf 53 Prozent gestiegen. Im Schnitt betreuen die steirischen Milchbäuerinnen und Milchbauern 25 Milchkühe, in Deutschland sind es 94, in Dänemark sind es sogar 248. Leider haben seit 2010 mehr als ein Drittel der heimischen Milchviehbetriebe die Stalltüren geschlossen, heute gibt es in der Steiermark aktuell 3.631 Milchviehbetriebe.
Mit Handy: Melkroboter und Fütterungsroboter steuern
Das Smart-Phone ist für die Bäuerinnen und Bauern ein wichtiges Steuerungsinstrument für neue Technologien. „Alle entscheidenden Daten, die der Melkroboter beispielsweise über die Qualität der Milch oder die Tiergesundheit liefert, sind sofort über eine App am Handy verfügbar“, sagt Titschenbacher. Neben der gewonnenen Flexibilität und der Arbeitserleichterung ist mit den gelieferten Daten eine rasche Früherkennung von Problemen möglich. „Das schafft noch mehr Tierwohl, sichert die Tiergesundheit und eine noch bessere Produktqualität“, sagt Titschenbacher. In der Steiermark sind aktuell bereits 291 Melkroboter im Einsatz, die 8 Prozent der Betriebe verwenden. Auch die Fütterungstechnik erleichtert die schwere körperliche Arbeit erheblich und ermöglicht, dass die Rinder ihrem Biorhythmus gemäß ständig frisches Futter vorgelegt bekommen. Durch diese dem Tier angepasste Fütterung – Rinder wollen den ganzen Tag gleichmäßig Futter zu sich nehmen – verbessert sich wiederum die Tiergesundheit.
Sensoren helfen, dass Tiere gesund bleiben
Algorithmen kommen auch durch Sensoren, die sich beispielsweise an einem Halsband, an den Ohren oder als Bolus im Pansen finden, vermehrt in den heimischen Rinderställen zum Einsatz. Alleine Veränderungen des Fressverhaltens, der Körpertemperatur und des Bewegungsverhaltens lässt Rückschlüsse auf eine sich anbahnende Krankheit ziehen. „Solche Warnsignale sind bereits nach zwei Stunden am Handy und ermöglichen, dass damit eine mögliche Krankheit gar nicht erst zum Ausbruch kommt. Diese Sensoren helfen mit, dass die Tiere gesund bleiben“, sagt Titschenbacher. Und weiter: „Alle Sensoren und Daten unterstützen immer die Arbeit der Milchbäuerinnen und Milchbauern – ersetzen können sie den Menschen nicht. Denn letztlich ist das Wissen, das geschulte Auge und die Fürsorge der Milchbäuerinnen und Milchbauern ausschlaggebend, weil sie die Entscheidungen treffen und handeln.“
Aktuell arbeitet die gesamte österreichische Rinderwirtschaft gemeinsam mit Forschern der Universität für Bodenkultur, der Veterinärmedizinischen Universität und diversen Unternehmen an Datenverschneidungen, um bessere Entscheidungsgrundlagen hinsichtlich Fütterung, Gesundheit der Tiere, Zucht und Management auf den Milchviehbetrieben zu erhalten. Relevante, für die Praxis brauchbare, Ergebnisse werden in den nächsten ein bis zwei Jahren erwartet.
Digitalisierung ist in der Steiermark bereits gelebte Praxis in der Ausbildung und am Betrieb
Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer erklärt: „Innovation und Digitalisierung spielen in der landwirtschaftlichen Ausbildung schon eine große Rolle. An unseren Fachschulen haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, neue Technologien kennenzulernen und dieses Wissen dann hinaus in die Betriebe zu tragen. Konkret gibt es etwa an den Fachschulen Hatzendorf, Grabnerhof und Grottenhof bereits Smaxtec-Technologie – eine steirische Innovation, die mittels modernster Technologie und künstlicher Intelligenz umfassende Daten zu den Kühen liefert. Das verbessert die Tiergesundheit, erhöht die Leistung, spart Medikamente und Futtermittel und nimmt den Bäuerinnen und Bauern Arbeit ab. Die Schülerinnen und Schüler lernen an der Schule den Umgang mit diesem digitalen Werkzeug und sie lernen die Vorteile dieser Innovation kennen. Wenn sie dann in den Betrieb kommen, dann wissen sie bereits, dass man damit Antibiotika spart und die Fütterung optimieren kann, um Zeit und Geld zu sparen. Auch Krankheiten oder Schwangerschaften werden so frühzeitig erkannt. Digitalisierung ist niemals ein Selbstzweck – der Nutzen für die Bäuerinnen und Bauern steht immer im Mittelpunkt.“
Sophia Spath (29), Hofübernehmerin, führt in Hitzendorf gemeinsam mit Freund David einen Milchviehbetrieb – Melkroboter melkt 60 Kühe und Sensortechnik verbessert die Gesundheit der Milchkühe
„Als wir 2021 den Betrieb übernommen haben, beschlossen wir in ein automatisches Melksystem zu investieren. Hohe Anschaffungskosten, sowie laufende Betriebsmittel- und Energiekosten, machten uns diese Entscheidung nicht einfach. Dennoch sahen wir einen klaren Vorteil in der Arbeitserleichterung: man bekommt dadurch mehr Flexibilität und Lebensqualität, Vorteile zeigen sich aber vor allem auch in den Bereichen Tierwohl und Tiergesundheit. Mit den dazugehörigen Halsbändern, werden Fressminuten, Wiederkauaktivität und die Brunsterkennung registriert. Weitere Vitalparameter, welche über die Milch gemessen werden sind: Zellzahl, Leitfähigkeit, Farbe und Temperatur. Dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien ermöglicht eine frühzeitige Erkennung etwaiger Abweichungen und verbessert dadurch die Qualität der Milch.“
Franz Spath, Steirermilch
„Milch ist ein besonderer, durch nichts ersetzbarer Rohstoff, den die Berglandmilch zu innovativen Milchprodukten veredelt. Milch zu Pulver oder Industriekäse zu verarbeiten ist für die Berglandmilch keine Option, um langfristig erfolgreich zu sein und sich von den internationalen Mitbewerbern abzuheben“, betont Franz Spath, Vorstand der Steirermilch. Und weiter: „Die Berglandmilch als Österreichs größter Milchverarbeiter setzt daher stark auf Premiumkonzepte wie nachhaltige Mehrwegglas-Verpackungen und auf Produkt- und Verpackungsinnovationen. So lancierten wir heuer gemeinsam mit der Firma Meinl einen neuen „Coffee-to-Go“, weiters den ersten Frucht-Kefir in 100% Recycling-PET, einen Grießpudding in nachhaltiger Glasverpackung oder einen neuen Brat-und Pfannenkäse für die Grillsaison. Neue Produktsegmente wie Schärdinger Mozzarella, der Schärdinger Rahmemmentaler oder geriebener Pasta-Käse erfreuen sich steigender Beliebtheit. Und ungebrochen ist die Nachfrage nach hochwertigen Klassikern wie die Stainzer Sonntagsbutter, Stainzer Trinkmilch oder Schärdinger Käsescheiben.“
Andreas Radlingmaier, Aufsichtsratsvorsitzender Landgenossenschaft Ennstal: Fuß auf England-Markt gesetzt. Innovationstreiber bei Weichkäse
„Unsere international gefragten aseptischen Milchmischgetränke können dank einzigartiger UHT-Technologie sogar bis zu zwölf Monate ohne Kühlung mit höchster Qualität angeboten werden.“ Nicht zuletzt deshalb gelang es der Ennstalmilch kürzlich sogar diese aseptischen proteinreichen Milchgetränke in der umweltfreundlichen Kartondose erfolgreich auf dem England-Markt einzuführen. Radlingmaier: „Vier Sorten, besonders eiweißreicher Kaffee- und Kakaogetränke hat eine führende britische Supermarktkette exklusiv gelistet. Und weiter: „Als Innovationstreiber bei Weichkäse-Spezialitäten wurden wir 2023 beim World Cheese Award in Trondheim, Norwegen für unseren Bio-Ennstaler-Blauschimmelkäse mit Gold ausgezeichnet. Mit unserem Schärdinger-Rahm-Camembert sind wir 2023 wieder österreichischer Käsekaiser geworden.“
Obmann Jakob Karner, Obersteirische Molkerei
„Moderne Systeme unterstützen die Arbeit, ersetzen sie aber nicht. Auch die Obersteirische Molkerei setzt Robotik und Digitalisierung ein, um Arbeitszeiten zu reduzieren. Trotzdem bedarf es auch hier eines geschulten Käsemeisters, um hochwertigen Käse erzeugen zu können – Käse ist ein lebendiges Produkt, das eine individuelle Betreuung benötigt“, betont Karner. Und weiter: „Alle diese Techniken sind kapitalintensiv. Die Entscheidung verlangt im Vorfeld sehr exakte Wirtschaftlichkeitsrechnungen.“
Milch kann von Natur aus mehr
Das Lebensmittel Milch ist von Natur aus reich an Nährstoffen, die in die einzigartige Milch-Matrix eingebettet sind. Das bedeutet, ihre Bestandteile interagieren in komplexer und gleichsam genialer Weise miteinander. Die einzelnen Nährstoffe erfüllen nicht nur jeweils ihre eigenen Aufgaben, sondern beeinflussen sich gegenseitig bei Aufnahme und Verwertung im Körper positiv. Milch liefert hochwertiges Eiweiß, das dem Körper zu einem großen Teil für seine eigenen Zwecke zur Verfügung steht, denn tierisches Eiweiß kann auf Grund seiner Aminosäurezusammensetzung besser in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden als pflanzliches. Milch ist ein wertvolles Lebensmittel für alle Altersgruppen: vom Aufbau der Knochenmasse durch eine optimale Kalziumversorgung in der Kindheit bis zum Erhalt der Muskulatur durch eine adäquate Eiweißbereitstellung im Alter. Darüber hinaus leisten weitere milchtypische Inhaltsstoffe wie leichtverdauliches Fett, Jod sowie die Vitamine B2, B12 oder D einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Menschen.