So tickt die bäuerliche Jugend
Wie lebt unsere Jugend, auf welche Werte setzt sie und was macht ihr Sorgen? Und: Wie stellen sich (künftige) Hofübernehmerinnen und Hofübernehmer ihre Arbeit und ihr Leben vor? All das wurde österreichweit in der so genannten Kirner-Studie erhoben, in die auch rund 4.200 Antworten von Schülerinnen und Schülern aus dem agrarischen Schulwesen eingeflossen sind. Damit liegt ein umfassender Einblick in die Lebenswelten und Wertehaltungen der bäuerlichen Jugend vor. Dieser wurde von uns um einen Blick in die Praxis erweitert. Die Landwirtschaftlichen Mitteilungen haben in einer Umfrage unter der bäuerlichen Jugend in deren reale Lebenswelten geblickt – darunter waren auch bereits erfahrene Betriebsführerinnen und Betriebsführer.
Das sehen wir als wichtigste Aufgaben der Landwirtschaft an – und so wollen wir unsere Höfe führen
Wenn es um die wichtigsten Aufgaben in der Landwirtschaft geht, dann hätte die Kirner-Studie auch von Martina Hopf stammen können. Ihre Ansichten decken sich nämlich weitgehend mit dem, was der ländlichen Jugend diesbezüglich wichtig ist. Allen voran steht für sie, wie auch für fast 70 Prozent der Jugendlichen: „Die Bevölkerung mit hochwertigen und gesunden Lebensmitteln versorgen.“ Und nicht nur das! Für die erfolgreiche Influencerin haben Bäuerinnen und Bauern auch die Verantwortung, den Menschen zu zeigen, wo diese Lebensmittel herkommen und wie sie produziert werden. Sie gibt daher in ihren Kurzvideos ungeschminkt Einblick in das Hofleben. Und: „Zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört auch die Erhaltung von Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie von Erholungsraum für Menschen. Die Natur zu hegen und zu pflegen ist für die Landwirtschaft ein ganz großes Thema.“
Auf Platz zwei steht in der Studie (rund 50 Prozent) – und ebenso bei der Gaaler Mutterkuhhalterin – das Tierwohl. „Mit dem neuen Stall habe ich bereits einen großen Schritt in diese Richtung gemacht“, liegt Hopf ganz im Trend der Zeit. Hohe Tierwohlstandards sind Hofnachfolgerinnen und Hofnachfolgern übrigens genauso wichtig wie jenen Jugendlichen, die einmal keine Betriebsführer sein und von den Höfen weichen werden.
Spezialisierte und größere Betriebe zu schaffen (20 Prozent), liegt übrigens bei der Kirner-Studie am Ende dieser Aufgabenliste für die Landwirtschaft. Auch die kosteneffiziente Betriebsführung steht nur an drittletzter Stelle, wobei Jugendliche mit einem Hof beziehungsweise Burschen generell diesem Aspekt deutlich mehr Bedeutung beimessen als die jungen Frauen.
So etwa auch Felix Braunstein, 21, aus St. Margarethen an der Raab. Für ihn gilt bei der Hofführung in erster Linie: „Die Arbeit muss mir unbedingt auch Spaß machen! Aber natürlich ist auch die Wirtschaftlichkeit ein Thema, wenn der Betrieb erfolgreich weitergeführt werden soll. Wichtig ist mir auch, nachhaltig zu arbeiten.“ Und: „Ich möchte zu einem besseren Image der Landwirtschaft beitragen helfen. Wir Bauern sind nicht nur die bösen Umweltzerstörer. Das muss den Leuten bewusst gemacht werden – wir Bauern müssen es der Bevölkerung in der Praxis auch vorleben.“ Was dem Jungbauern zudem wichtig ist: „Mit den Entwicklungen Schritt halten und den Betrieb gut in die Zukunft führen.“
Wir haben fixe Pläne und sind optimistisch
Zögern und zaudern ist nichts für die heutige Jugend! Sie blickt mutig
und zuversichtlich in die
Zukunft.
Mehr als 70 Prozent der agrarischen Jugend hat fixe Pläne für die Zukunft. Ganz besonders jedoch jene, die bereits einen Hof führen oder beabsichtigen, den Betrieb einmal zu übernehmen. Hofübernehmerinnen und Hofübernehmer sind auch mehr als andere Jugendliche davon überzeugt, ihre gesteckten Ziele erreichen zu können. Burschen zeigen sich dabei generell entschlossener und zukunftssicherer als Mädchen – 40 Prozent sind überzeugt, die Pläne auch umsetzen zu können. Zudem blicken Hofübernehmer generell positiver in die Zukunft.
Und so schwirren auch im Kopf von Markus Gössler, der in einigen Jahren den Hof übernehmen wird, bereits ganz konkrete Vorstellungen herum: „In der Direktvermarktung noch stärker werden; das alte Haus herrichten und dort mit ,Urlaub am Bauernhof ein weiteres Standbein aufbauen!“ Dass er als Neo-Betriebsführer seine Vorhaben umsetzen und den Hof gut führen kann, davon ist er überzeugt. Was ihn so zuversichtlich stimmt: „Unser Betrieb, Mutterkuhhaltung und Direktvermarktung, ist von den Eltern gut aufgestellt; da habe ich eine gute Basis zum Weiterarbeiten.“
Wie bei Stefanie Schmitt, die gerade die Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg Gumpenstein besucht. „Ich werde ganz sicher einmal im landwirtschaftlichen Bereich arbeiten – idealerweise als Betriebsführerin. Mir ist dabei besonders wichtig, dass der elterliche Betrieb weiterhin als Familienbetrieb geführt wird und ich auf die Hilfe und Erfahrung meiner Eltern bauen kann“, ist für die selbstbewusste 15-Jährige klar, wohin für sie die berufliche Reise gehen wird.
Das erwarten wir uns von der Arbeit am Betrieb
Sehr klare Vorstellungen haben Jugendliche im Hinblick auf die Arbeitswelt. Ein sicherer Arbeitsplatz (74 Prozent), Vereinbarkeit von Beruf und Familie (72 Prozent) sowie Spaß und eine ausgewogene Work-Life-Balance stehen ganz oben auf der Kriterienliste für die Job-Zufriedenheit. Klemens Lienhart in Premstätten, der mit seinem Bruder den elterlichen Gartenbaubetrieb übernehmen wird, schlägt ganz in diese Kerbe. Für ihn muss die Arbeit in erster Linie „erfüllend und sinnstiftend sein und Spaß machen.“ Naturnah und nachhaltig zu produzieren ist ihm besonders wichtig, ebenso wie laufende Weiterbildung:
„Es kommen anspruchsvolle Zeiten, da will ich gerüstet sein.“
Ganz besonders wichtig ist der Jugend, mit ihrer Arbeit etwas Sinnstiftendes zu tun – das wird weit vor guten Aufstiegsmöglichkeiten und hohem Einkommen gestellt.
Melanie Schlein versucht in ihrer Fischzucht in Deutsch Goritz jedoch beides möglichst gut zu verbinden: „Ich möchte frischen Wind in den Betrieb bringen und forciere den Fortschritt, behalte aber auch die Tradition stark im Auge und möchte gewisse alte Gepflogenheiten keinesfalls verlieren.“
Ganz auf der Welle der Jugend-Studie liegt sie übrigens mit ihrem hohen Qualitätsanspruch und ihrem Bemühen, ihre Produktion unter höchst möglichen Tierwohl-Standards laufen zu lassen.
Was die Studienautoren aufhorchen ließ: sich beruflich um andere Menschen zu kümmern, steht am Ende der Liste.
Diese Entwicklungen geben uns zu denken
Auch wenn die steirische Jugend die Zukunft grundsätzlich positiv sieht, ist sie nicht frei von Sorgen, Bedenken und auch ganz konkreten Ängsten – was angesichts der aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre im In- und Ausland allerdings nur allzu verständlich ist. Die größten Sorgen: keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu bekommen oder den Job zu verlieren. Vor allem der weiblichen Jugend liegt dieses Thema im Magen. Sie setzt nämlich große Stücke darauf, wirtschaftlich möglichst unabhängig zu sein.
Dementsprechend groß ist auch die Sorge vor Armut – was jetzt durch die wirtschaftlich wenig rosigen Zukunftsperspektiven noch verstärkt wird. Auch vor einem Zerfall der Familie oder vor einer schweren Krankheit haben junge Menschen Angst. Ganz großes Thema: die Sorge darüber, keine Freundinnen und Freunde zu haben.
Auch Simone Wechtitsch, Großklein, gibt die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung sehr zu denken: „Preiserhöhungen machen es für junge Leute immer schwerer, sich etwas aufzubauen. Vieles wird empfindlich teurer. Aber wenn man will, ist immer eine Lösung zu finden. Wir Jugendliche müssen uns da auf alle Fälle gemeinsam diesen Herausforderungen stellen; dann schaffen wir das auch.“
Wie der Großteil der Jugendlichen zeigt sich die junge Winzerin optimistisch und ist bereit, sich den bevorstehenden Aufgaben zu stellen.
Dementsprechend groß ist auch die Sorge vor Armut – was jetzt durch die wirtschaftlich wenig rosigen Zukunftsperspektiven noch verstärkt wird. Auch vor einem Zerfall der Familie oder vor einer schweren Krankheit haben junge Menschen Angst. Ganz großes Thema: die Sorge darüber, keine Freundinnen und Freunde zu haben.
Auch Simone Wechtitsch, Großklein, gibt die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung sehr zu denken: „Preiserhöhungen machen es für junge Leute immer schwerer, sich etwas aufzubauen. Vieles wird empfindlich teurer. Aber wenn man will, ist immer eine Lösung zu finden. Wir Jugendliche müssen uns da auf alle Fälle gemeinsam diesen Herausforderungen stellen; dann schaffen wir das auch.“
Wie der Großteil der Jugendlichen zeigt sich die junge Winzerin optimistisch und ist bereit, sich den bevorstehenden Aufgaben zu stellen.
Ebenso wie der Hofübernehmer Ralf Wagner aus Admont. Er nagt vor allem am Bild, das die Gesellschaft bezüglich der Landwirtschaft hegt: „Da ist vielen einfach nicht bewusst, wie wir Lebensmittel produzieren und was wir als Bauern überhaupt machen.“ Auch die Abhängigkeit der Lebensmittelsicherheit von Importen gibt ihm zu denken. Eine Chance sieht er jedoch darin, „dass wir Landwirte die Lösung für den Klimaschutz werden können.“ Denn gerade Umweltverschmutzung und Klimawandel stehen ganz oben am Sorgenbarometer der Jugend – auch hier wieder vermehrt bei Mädchen; fast jeder zweite Befragte hat rund um diese Themen tiefgreifende Bedenken.
Das ist uns im Leben ganz besonders wichtig
Ob bäuerliche oder städtische Jugend, ob Hofübernehmer oder weichende Kinder – in Sachen Freizeit und Unterhaltung stehen Internet und Soziale Medien klar an erster Stelle. Gleich danach kommen Freunde – für etwa 50 Prozent gehört das Zusammensein mit ihnen zur wichtigsten Freizeitbeschäftigung. Was bei der bäuerlichen Jugend dazukommt, ist die weitaus häufigere Beschäftigung mit Tieren sowie die Natur.
Ganz ins Bild der „digitalen Jugend“ passt Julia Strohmeier aus Stainz – nicht zuletzt, weil sie ausgebildete Social Media-Managerin ist. „Da vermischen sich oft berufliche und private Interessen. Auch Freunde, Sport und die Landjugend stehen auf meinem Freizeitprogramm.“
Ähnlich sieht das Sebastian Kerschenbauer, der seine Freizeit ebenfalls am liebsten mit Freunden – und ganz besonders mit der Freundin – verbringt. Er wird zwar den Hof einmal nicht übernehmen, die Mitarbeit in der Landwirtschaft macht ihm aber jede Menge Spaß!
Shoppen ist am Land übrigens weniger Thema, dafür sind Partys, besonders bei Mädels, stark angesagt. Auch das Engagement in Vereinen spielt am Land eine größere Rolle.
Ganz eindeutig gibt sich die Jugend auch, wenn es um die Wertehaltungen geht: Für 88 Prozent der agrarischen Jugend sind gute Beziehungen im Umfeld sehr und für weitere zehn Prozent immerhin eher wichtig. Gefolgt von „Freundinnen und Freunden helfen“ (73 Prozent), einer guten Ausbildung, Genuss im Leben (68 Prozent) und Eigenverantwortung (64 Prozent). Mutterkuhhalter Heinrich Ertl ist ganz auf Studien-Linie: „Wichtig sind mir Spaß und gute Stimmung bei der Arbeit, Freunde, die für mich in jeder Lebenssituation da sind; so wie ich für sie. Gesundheit und ein bisschen Glück und das Leben ist perfekt!“
Ganz große Bedeutung haben, vor allem für junge Frauen, gute Partnerschaften und das Familienleben. „Für mich ist Familie einfach das Wichtigste im Leben. Und deshalb freue ich mich auch schon riesig auf mein Baby, das im August zur Welt kommt“, zeigt sich Renate Emmerstorfer, Tragöß, überglücklich über den Nachwuchs. Am Ende der Werteliste stehen politisches Engagement, Macht, Einfluss und angepasstes Verhalten.
Das hält uns fit und so ernähren wir uns
Gesundheit und Ernährung haben sich bei der bäuerlichen Jugend zu Top-Themen entwickelt – auf den Tellern der jungen Bäuerinnen und Bauern dominiert vermehrt regionales, saisonales Essen. Wie bei Martina Prutsch aus St. Stefan im Rosental: „Ich greife zu allem, was gerade in der jeweiligen Jahreszeit in der Region wächst. Also Finger weg vor weithergereisten Erdbeeren im Winter. Für den Genuss gehören aber gelegentlich auch eine Tafel Schoko oder ein Cola dazu.“
Gesundheitliche Probleme zeigen sich vermehrt im psychischen Bereich – diese wirken sich nicht selten durch Schlafstörungen aus. Im Unterschied zu anderen Jugendlichen halten sich Hofübernehmer jedoch für überdurchschnittlich fit und gesund. Wie Christoph Falzberger, der über keine Wehwehchen zu klagen hat und vor Fitness strotzt: „Das verdanke ich den körperlichen Arbeiten am Hof. Ich esse aber auch sehr ausgewogen; vor allem Produkte aus der Region.“