Hofübergabe - Ansprüche der weichenden Erben
Grundsätzlich sind Erbansprüche erst beim Tode der Eltern zu befriedigen. Zur Vermeidung von erbrechtlichen Streitigkeiten ist es jedoch von Vorteil, bereits bei der Betriebsübergabe die künftigen Ansprüche abzuschätzen und eine Einigung mit den Weichenden über die vorzeitige Auszahlung ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu erzielen.
Erb- oder Pflichtteilsverzicht
Vorzeitige Zahlungen sollten nur gegen Abgabe eines Pflichtteilsverzichtes erfolgen, mit welchem die Weichenden verbindlich erklären, beim Tode der Eltern keine weiteren Ansprüche zu stellen. Pflichtteilsverzichte können rechtswirksam nur in Form eines Notariatsaktes abgegeben werden. Personen, die einen Pflichtteilsverzicht abgegeben haben, können noch an der Verteilung der Verlassenschaft teilnehmen, falls in der Verlassenschaft noch Vermögen vorhanden ist. Falls nicht, müssen sie sich mit dem begnügen, was sie zu Lebzeiten des Verstorbenen bekommen haben. Ansprüche an den Hofübernehmer können sie nicht stellen. Im Gegensatz zum Pflichtteilsverzicht führt der Erbverzicht zu einer gänzlichen Erbunfähigkeit der verzichtenden Person und ihrer Rechtsnachfolger, die sie von jeder erbrechtlichen Teilnahme ausschließt.
Das Anerbengesetz
Um eine taugliche Grundlage für die Verhandlungen mit den Weichenden über die Höhe ihrer Abfindungsansprüche zu erhalten, ist nach bäuerlichem Gewohnheitsrecht oder nach den erbrechtlichen Vorschriften abzuschätzen, wie hoch die Ansprüche der weichenden Erben im Erbfall wären. Dazu ist vorerst festzustellen, ob das allgemeine bürgerliche Erbrecht oder das Anerbenrecht zur Anwendung gelangen würde. Letzteres ist davon abhängig, ob ein sogenannter Erbhof vorliegt.
Für Kärnten und Tirol bestehen landesgesetzliche Sonderregelungen (Tiroler Höferechtsgesetz, Kärntner Erbhöfegesetz 1990), die vom Anerbengesetz in Teilen abweichen.
Wann liegt ein Erbhof im Sinne des Anerbenrechtes vor?
Ein Erbhof ist ein mit einer Hofstelle versehener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, der im Eigentum einer natürlichen Person oder im Eigentum von Ehegatten oder eines Elternteiles und eines Kindes steht. Der Erbhof muss eine Ertragsfähigkeit besitzen, die zur ortsüblichen, angemessenen Erhaltung einer erwachsenen Person ausreicht, höchstens jedoch das Vierzigfache dieses Durchschnittsertrages. Reine Forstbetriebe gelten unter den vorgenannten Bedingungen ebenfalls als Erbhöfe.
Welche Folgen hat die Erbhofeigenschaft?
Liegt ein Erbhof vor, kommt grundsätzlich das Anerbengesetz zur Anwendung. Um Erbteilungen zu vermeiden, sieht dieses eine von der allgemeinen Regel abweichende gesetzliche Erbfolge vor, sowie eine gesonderte Bemessung der Ansprüche der weichenden Erben.
Wie hoch sind die Abfindungsansprüche der weichenden Erben?
Grundsätzlich haben die weichenden Erben keinen Anspruch auf den Erbhof oder Teile desselben. Ihre Abfindungsansprüche sind reine Geldforderungen und so zu bemessen, dass der Anerbe wohl bestehen kann. Er soll also nicht gezwungen sein, größere Teile des Erbhofes zu veräußern, um die Ansprüche der Weichenden befriedigen zu können. Zur Bewertung des Betriebes ist nicht der Verkehrswert (Wert des Betriebes am freien Liegenschaftsmarkt) sondern der Ertragswert, der aus der Ertragsfähigkeit des Betriebes resultiert (Reinertrag = Verzinsung des im Betrieb investierten Kapitals) heranzuziehen.
Berechnung der Ertragsfähigkeit des Erbhofes
Neben anderen Möglichkeiten, insbesondere der Ermittlung aus betrieblichen Aufzeichnungen bzw. aus Buchführungsergebnissen, bietet die Nettopachtzinsrechnung eine einfache Methode zur Ermittlung des Reinertrages (Nettopachtzins = Bruttopachtzins für die Grundflächen plus Zuschlag für Wohnung und Wald minus Reparatur für Gebäude minus Betriebssteuern und Feuerversicherung). In Gebieten mit niedrigen Pachtpreisen sind nur der Bruttopachtzins, der Zuschlag für den Wald und der Abzug für Reparaturen und Grundsteuer zu berücksichtigen. In Bereichen mit sehr hohen Pachtentgelten wäre auch die Afa der Gebäude in Abzug zu bringen. Auch Erträge aus der Vermietung/Verpachtung von Gebäuden sind zu berücksichtigen.
Vereinfachtes Beispiel zur Ermittlung der Abfindungsbeträge für weichende Erben bei Vorliegen eines Erbhofes
Es ist zu prüfen, welcher Betrag dem Betrieb jährlich entnommen werden kann, ohne die Substanz des Betriebes zu gefährden.
Beispiel zur Ermittlung
Annahme: ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb hat einen Reinertrag von | 7.000 Euro |
Dieser Betrag ist zu kapitalisieren mit dem Rentenbarwertfaktor für eine durchschnittliche Generationenfolge (Ertragswert) = 20 x 7.000 Euro |
140.000 Euro |
Abzüglich Ausgedingebelastungen (außer Wohnrecht) z.B. für Übergeberehepaar (60 J.) 100 Euro/Monat, kapitalisiert |
- 20.000 Euro |
Übernahmspreis des Erbhofes | 120.000 Euro |
Drei Kinder - Anteil je Kind (=Erbteil) | 40.000 Euro |
Pflichtteil: (= 50 % v. Erbteil) | 20.000 Euro |
Eine genauere Berechnung entnehmen Sie bitte der Broschüre Hofübergabe.
Ergebnis
Der Erbe übernimmt den Erbhof, die zwei weichenden Erben erhalten dafür je eine Abfindung in der Höhe von 40.000 Euro. Werden auf dem Erbhof jedoch noch andere Unternehmen betrieben, Wohnungen vermietet, etc. sind diese zusätzlich nach dem Verkehrswert abzugelten. Falls die weichenden Erben testamentarisch auf den Pflichtteil gesetzt werden, erhalten sie nur die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteiles.
In der Praxis weisen die an die Erben tatsächlich bezahlten Abfindungsansprüche eine hohe Bandbreite auf. Nach den jeweiligen familiären Verhältnissen und Besonderheiten werden beispielsweise überdurchschnittlich hohe Ausbildungskosten oder jahrelange Mitarbeit auf dem Hof berücksichtigt. Letztlich müssen diese Zahlungen die Akzeptanz aller Beteiligten finden oder es muss auf den tatsächlichen Erbanfall gewartet werden.