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Von Blauzungenkranheit bis Futterqualität

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23.12.2025 | von Gertrude Freudenberger

Eine europaweite ungewöhnlich hohe Milchmenge drückt die Preise. Was steckt dahinter?

Milchproduktion © LK Steiermark-Heidi Hirn
© LK Steiermark-Heidi Hirn
Um das derzeitige Milchaufkommen besser zu verstehen, muss man bis in den Sommer 2024 zurückblicken. Die Blauzungenkrankheit (BTV3) sorgt in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien bis nach Polen für gravierende Probleme in den Milchviehherden. Landwirte und Tierärzte berichten von massiven Leistungseinbrüchen, lahmen und kranken Herden, Aborten und Tierverlusten. Die vorhandenen Impfstoffe lindern Symptome, können aber die Erkrankung nicht verhindern. Zu Jahresbeginn war die weitere Ausbreitung der Krankheit und ihre Langzeitfolgen ungewiss. Im ersten Quartal 2025 sank das Milchaufkommen in der EU-27 im Tagesschnitt um 0,7 Prozent  und stützte die Milchpreise.

Wendepunkt August

Seit August 2025 wird in der EU deutlich mehr Milch angeliefert als für die Jahreszeit üblich. Bereits im August war die Zuwachsrate mit einem Plus von 3,4 Prozent ungewöhnlich hoch, im September lag das Plus bei 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fast alle EU-Länder  meldeten höhere Mengen als im Vorjahr. Die produktionsstärksten Länder Deutschland und Frankreich verzeichneten Zunahmen von 4,9 und 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders stark war der Anstieg in Belgien (+6,5 Prozent) und den Niederlanden (+6,9 Prozent). Sie waren 2024 stark von der Blauzungenkrankheit betroffen. Polen weitet ohnehin die Milchproduktion stark aus. 

Ungewöhnliche Saison

Die Ursachen für das ungewöhnlich hohe Milchaufkommen und den abweichenden Verlauf können auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden: 
  • verzögerte Kalbungen nach Blauzungenkrankheit, 
  • weniger Hitzestress durch moderate Sommertemperaturen, 
  • günstige Futterkosten und hohe Grundfutterqualitäten, 
  • hohe Milchpreise als Produktionsanreiz,
  • weniger Kuhschlachtungen
Im Schnitt der ersten drei Quartale stieg das Aufkommen um 0,9 Prozent. Während es im ersten Quartal noch ein Minus von 0,7 Prozent gab, betrug das Plus im dritten Quartal 2,7 Prozent. Zusätzlich sind die Milchinhaltsstoffe, Fett und Eiweiß,  höher als im Vorjahr. 

Weltweit mehr Milch

Das Wachstum der Milchmenge ist nicht nur auf die EU beschränkt. Auch in den meisten konkurrierenden Exportländern wächst das Milchaufkommen stark. Im September wurde ein langjähriger Höchststand erreicht. Die zweite saisonale Spitze im Oktober wird heuer das April-Angebot überschreiten. 

Österreich zieht mit

Auch die österreichischen Landwirte haben 2025 die Milchproduktion stark erhöht. Stabile Milchpreise, milde Temperaturen, sehr gute Grundfutterqualitäten und ausreichende Futtervorräte waren auch hierzulande treibende Kraft, um die Milchproduktion anzukurbeln. Seit den Sommermonaten verzeichnen die heimischen Molkereien deutliche Mengensteigerungen, die so nicht erwartet wurden. Die AMA-Zahlen belegen: Im Oktober lag die Anlieferung um 6,6 Prozent über dem Vorjahr.  

Getrude Freudenberger, Arbeitskreis Milch

Durchschnittlicher Erzeugerpreis 2025 liegt bei 54 Cent netto.

Wann Entspannung?

Das Milchangebot ist deutlich gestiegen und übertrifft die Nachfrage. Seit dem Spätsommer haben die Preise für Milchprodukte in Europa und am internationalen Markt deutlich nachgegeben. Es müssen deutlich mehr Milch und Milchprodukte über den Binnenmarkt abgesetzt werden. Auch Österreich spürt die Folgen, die wichtigsten Exportländer finden sich am EU-Binnenmarkt. Die Erzeugermilchpreise stiegen von 52,27 Cent netto im Jänner auf 55,71 Cent netto im Oktober. Im November und Dezember kam es zu Preisanpassungen auf 51,70 Cent netto. 
Über das gesamte Jahr 2025 wurde ein durchschnittlicher Erzeugermilchpreis in der Höhe von 54,05 Cent netto erreicht.  Kurzfristig besteht ein Angebotsüberhang, weitere Preisanpassungen zu Jahresbeginn sind wahrscheinlich. 
Eine Entspannung der Marktlage wird frühestens im Spätsommer oder zu Jahresende 2026 erwartet, zumal die Milchviehbestände in der EU nicht aufgestockt werden.
Weltmilchtag 2024 © LK Steiermark/Danner

Jakob Karner ist Obmann der Obersteirischen Molkerei (OM)

"Weltweit – auch in Europa – sind die Milchanlieferungsmengen stark gestiegen. Auch die Obersteirische Molkerei verzeichnete in den vergangenen Monaten ein kräftiges Plus von neun Prozent. Herausfordernd wird das erste Halbjahr 2026 werden. Im zweiten Halbjahr hoffe ich auf Licht am Ende des Tunnels.“
Johann Loibner © KK

Johann Loibner ist Vorstandsmitglied der Berglandmilch

"Die weltweit stark gestiegene Milchanlieferung sorgt für erhebliche Verwerfungen bei Butter und Käse. Bei der Berglandmilch lag das Anlieferungsplus in den vergangenen Monaten zwischen sechs und acht Prozent. Das erste Halbjahr wird nicht einfach werden, danach hoffen wir auf eine Normalisierung.“
Weltmilchtag 2024 © LK Steiermark/Danner

Andreas Radlingmaier ist ­Aufsichtsratsvorsitzender der ­Ennstal-Milch

"Das Jahr 2026 beginnt ernüchternd. Das weltweite Überangebot ist auf gute Produktionsbedingungen und attraktive Milchpreise zurückzuführen. Bei der Ennstalmilch stieg die Anlieferung in den vergangenen Monaten um fünf Prozent. Das Frühjahr wird herausfordernd, im dritten Quartal ist eine Stabilisierung zu erwarten.“
Leopold Gruber-Doberer © www.weinfranz.com

Leopold ­Gruber-Doberer ist Geschäftsführer der ­Milchgenossenschaft ­NÖ (MGN)

"Erst wenn Europa weniger produziert, besteht Aussicht auf bessere Preise. Die MGN verzeichnete zuletzt ein Plus von 8,7 Prozent. Es wird wohl bis zum Sommer dauern, bis sich der Preis wieder stabilisiert. Der Handel darf unsere Werte nicht weiter vernichten – zwei Viertel Butter sind billiger als eine Tageszeitung!“

Milchpreis: Das sagt der Lebensmittelhandel

Fallende Milchpreise: Was tut Ihr Unternehmen, um in dieser schwierigen Phase die Bauern zu unterstützen?

SPAR: 
Hier muss man eines richtig stellen: Wir verkaufen die Produkte der Bauern an die Konsumenten. Was wir tun können ist, dass wir der heimischen Landwirtschaft in vielen Fällen garantieren, ausschließlich oder zumindest mehrheitlich heimische Produkte zu verkaufen. Wir gehen gerne langfristige Partnerschaften ein und unterstützen die Bauern in bestimmten Fällen mit zusätzlichen Prämien. Aber bei Milchprodukten muss man wissen, dass wir beispielsweise die Butter nicht bei den Bauern einkaufen, sondern bei den Molkereien. Die Molkereien bestimmen den Preis, den sie den Bauern zahlen. Dieser ist zu einem großen Teil auch vom Export abhängig und nicht vom heimischen Handel.

REWE: Auch in herausfordernden Marktphasen zahlen wir faire und angemessene Preise und setzen konsequent auf langfristige, partnerschaftliche Beziehungen zu den österreichischen Molkereien. Ein wesentlicher Beitrag ist zudem unser klarer Fokus auf heimische Herkunft: Bei unseren Eigenmarken setzen wir, wenn möglich, immer konsequent auf Produkte aus Österreich – und das ganz bewusst.

HOFER: Hofer ist sich als einer der führenden Lebensmittelhändler Österreichs seiner Verantwortung gegenüber Lieferantinnen und Lieferanten bewusst. Ein großer Teil unseres Sortiments stammt aus Österreich, Butter und Milch sogar komplett aus heimischer Landwirtschaft. Uns liegt eine stabile und langfristige Partnerschaft mit den österreichischen Bäuerinnen und Bauern sehr am Herzen. Eine faire Zusammenarbeit ermöglicht es den Landwirten, zu investieren, krisenfest zu wirtschaften und auch weiteren Generationen eine Perspektive zu bieten – so wird die Region gestärkt und wertvolle Arbeitsplätze in Österreich gesichert.

LIDL: Vorab: Wir bitten um Verständnis, dass wir als Lidl Österreich Stellung nehmen und nicht für Lidl Gesellschaften in anderen Ländern sprechen.
Abgesehen vom bekannten gesellschaftspolitischen Druck der letzten Monate, die Preise für Lebensmittel zu senken, ist es Kern unserer Positionierung, immer die günstigsten Preise anzubieten. Das ist nichts neues: Sinkende Kosten geben wir, wann immer es geht, an die Kunden weiter. Das macht und machte bei Butter auch der Mitbewerb so. Es war und ist uns gleichzeitig immer ein Anliegen, dass es für alle entlang der Wertschöpfungskette ein Auskommen gibt. Die Milchauszahlungspreise in Europa und auch Österreich fallen aufgrund eines Überangebotes von Milch(-produkten) und werden das laut Branchenexperten auch in den nächsten Monaten tun. Insofern verstehen wir die Unruhe am heimischen Milchmarkt. Der heimische LEH und noch viel weniger Lidl Österreich mit 6 Prozent Marktanteil können hier aber nicht korrigierend eingreifen, zumal nur rund 30 Prozent der Molkereiprodukte im heimischen LEH vermarktet werden. Hier nehmen wir unsere Verantwortung aber wahr und setzen fast ausschließlich auf Qualität aus Österreich, ohne diese zu verschleudern. Im Jahr 2025 haben wir unser österreichisches Angebot an Molkerei- Produkten um 34 neue Artikel ausgeweitet. Auch im Jahr 2026 werden wir weitere heimische Artikel einlisten.

Nicht alle EU-Länder beteiligen sich an der Butterpreis-­Rallye. Warum Ihr Unternehmen?

SPAR: Es ist derzeit mehr Milchfett am Markt, die Preise für Butter sind gefallen. Wir geben diese Preissenkung an die Konsumenten weiter. Das ist unsere Pflicht und letztendlich auch eine Auswirkung davon, dass man den Handel in den vergangenen Monaten geprügelt hat für die Teuerung, für die der Handel aber nichts kann. 

REWE: Die Butterpreise folgen den jeweiligen Marktgegebenheiten. Wir setzen im Preiseinstiegssegment konsequent auf 100 Prozent österreichische Butter und sichern damit die heimische Wertschöpfung.

HOFER: Der Hofer-Preis ist ein Versprechen für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis – und steht bei uns immer im Mittelpunkt. Für ausgewählte Butter- und Milchprodukte haben wir die Preise gesenkt. Bei der jüngsten Preisverbesserung vom 11. Dezember haben wir bewusst auf einen Teil unserer Marge verzichtet. So gewährleisten wir ein Angebot in gewohnter österreichischer Qualität und sagen ganz klar „JA“ zur heimischen Landwirtschaft und zu fairen Partnerschaften.

LIDL: Für Vorschläge, ob und in welcher Form wir gegebenenfalls darüber hinaus dazu beitragen können, die angespannte Situation für die Milchbauern in den nächsten Wochen und Monaten zumindest ein wenig zu entschärfen, sind wir offen. Wir stehen hier gerne für konstruktive Gespräche zur Verfügung. An dieser Stelle: Lidl Österreich forciert seit Jahren den Export heimischer Molkereiprodukte an Lidl Gesellschaften in Europa und unterstützt so die bäuerlichen Strukturen in Österreich! Die österreichische Landwirtschaft konnte über uns im Export im aktuellen Jahr über 16 Millionen Stück mehr absetzen und erreichte hiermit neue Rekorde. Die Mengen haben sich mehr als verdoppelt und finden sich mittlerweile in über 25 Ländern wieder.
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