Landschaftspflege mit „Tourismus-Beitrag“ abgelten
Welche Anliegen tragen die Murauer Bäuerinnen und Bauern aktuell am häufigsten an Sie heran?
MARTIN HEBENSTREIT: Vielfach sind es Belange, die mit der oft unnötigen und lästigen Bürokratie zu tun haben. Da geht es um vorgeschriebene Schnitttermine, die nicht zur Natur passen sowie um verschiedene Auflagen, Korrekturen und Zertifikate. Sehr gut angenommen wird die Hofübergabe-Beratung, diese ist wichtige Grundlage für den Termin beim Notar. Auch mit den vielen offenen Fragen zur EU-Entwaldungsverordnung bin ich konfrontiert.
Welche bürokratischen Hürden sollten abgebaut werden?
Der Schreibtisch und die Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Daher müssen künftig bei den Programmerstellungen – wie zum Beispiel beim Umweltprogramm – die Praktiker mit am Tisch sitzen. Die vielen detailgenauen Aufzeichnungen bei der Weide- und Almhaltung oder beim Anbau von Getreide halte ich in Zeiten der Satellitenanwendung für stark überzogen – nur bei einem vorzeitigen Almabtrieb habe ich Verständnis dafür.
Wie ist die wirtschaftliche Lage der Betriebe im Bezirk Murau?
Die Betriebe im Bezirk Murau investieren steiermarkweit am meisten – das ist ein erfreuliches Zeichen. Dank der guten Milch- und Viehpreise ist die Stimmung gut, auch die Jungbauern sind positiv gestimmt. Mit hohen sechsstelligen Beträgen wird sowohl in Rinderställe für Milchvieh als auch zunehmend in Hühnerställe für die Junghennenaufzucht, für Mast- und Legehennen sowie in die Ochsenmast investiert. Größere Milchviehbetriebe schaffen sich Melkroboter an. Für Skepsis sorgen hingegen die ersten EU-Vorschläge für die Zeit nach 2027. Hier sind harte Verhandlungen zu erwarten, wir werden uns da stark einbringen.
Eine große Rolle im Bezirk spielt ja auch die Forstwirtschaft ...
... der Bezirk Murau ist zu mehr als 70 Prozent mit Wald bedeckt. Trotz Trockenheit halten sich die Borkenkäferschäden in Grenzen und natürlich pflanzen unsere Waldbesitzer auch Laubbaumarten. Für mich steht aber fest, dass die Fichte bei uns weiterhin der Brotbaum bleiben wird.
Wie begeistern Sie die Jugend für die Landwirtschaft?
Jugend heißt Zukunft und die Land- und Forstwirtschaft hat Zukunft. Ich bin ständig in engem Kontakt mit der Landjugend und bei jedem Fachschulabschluss dabei – es ist großartig, wie gut die Hofnachfolger ausgebildet sind. Gut ist, und das ist für die Jugend so wertvoll, dass die Elterngeneration die Meinung der Jugend sehr ernst und wichtig nimmt. Ich bin stolz auf die positiv denkenden Jungen im Bezirk – um sie mache ich mir keine Sorgen. Alles nur zu bejammern, wäre der schlechteste Ratgeber.
Welche Wünsche haben Sie an die Politik, um die Hofübergabe zu erleichtern?
Mit der Jungübernehmerförderung ist wirklich einiges geglückt – diese kann sich wirklich sehen lassen. Aber: Unsere investitionsfreudige Jugend braucht beim Bauen viel einfachere Verfahren. Das beginnt schon bei den Vorbereitungen, geht über die Bauverhandlungen bis hin zu den vielen Gutachten, die beizubringen sind. Da brauchen wir dringend Vereinfachungen, es sollte nur eine Stelle zuständig sein. Es muss wirklich nicht jeder seinen Senf dazugeben – das kostet unnötig viel Geld.
Bürokratieabbau ist ein Credo in der steirischen Landesregierung. Was fordern Sie für ein modernes Bau- und Raumordnungsgesetz?
Erstens brauchen wir einheitliche Regelungen in ganz Östereich. Wir grenzen an Kärnten und an Salzburg – es kann nicht sein, dass quasi auf der anderen Seite des Baches ganz andere Regeln für die Bau- und Raumordnung gelten als bei uns. Immer wieder höre ich von Bauern, dass bestimmte Dinge im Lungau oder in Kärnten gehen, bei uns aber nicht ...
... Sie wollen also ein Bundesgesetz?
Die Gesetze sollen so formuliert sein, dass sie relativ einheitlich sind und dennoch die regionalen Gegebenheiten berücksichtigen. Die Zuständigkeiten und der Vollzug sollen meiner Meinung nach aber schon beim jeweiligen Bundesland bleiben. Bei gutem Willen müsste das gehen.
Als starker Grünlandbezirk leisten die Murauer Bauern besonders viel für die Landschaftspflege.
Die Pflege der Kulturlandschaft, die für den Tourismus attraktiv ist, wird maßgeblich von den Bauern getragen. Deshalb wollen wir davon profitieren. Für Bauern in den Berggebieten sollte ein „Übernachtungsbeitrag“ kommen, den Urlauber pro Übernachtung zahlen – eine Abgeltung zur Sicherung der flächendeckenden Bewirtschaftung.
Zum Schluss: Ihre Botschaft an die Bäuerinnen und Bauern?
Positiv nach vorne schauen – die Land- und Forstwirtschaft hat Zukunft.
Zur Person:
Martin Hebenstreit ist Obmann der Bezirkskammer Murau.
Ackerbau, Ochsenmast, Grünland- und Forstwirtschaft sind die betrieblichen Schwerpunkte.
Am Betrieb in Oberwölz arbeiten Gattin Veronika, Sohn Michael und Schwiegertochter Kerstin mit.
Ackerbau, Ochsenmast, Grünland- und Forstwirtschaft sind die betrieblichen Schwerpunkte.
Am Betrieb in Oberwölz arbeiten Gattin Veronika, Sohn Michael und Schwiegertochter Kerstin mit.
Drei Fragen an Bezirksbäuerin Erika Güttersberger
- Was ist Ihnen für die Bäuerinnen im Bezirk besonders wichtig?
Erika Güttersberger: Dass sie in allen rechtlichen und sozialrechtlichen Belangen gut informiert und begleitet sind. Wir haben hier großen Aufholbedarf, weil viele Bäuerinnen – auch jüngere – ihre Rechte zu wenig kennen. Was ich nicht will ist, dass bei Trennungen oder Scheidungen die Frauen weitgehend durch die Finger schauen. Wenn eine Frau auf den Hof kommt, sollte auch die sozialrechtliche Absicherung geklärt werden. Wichtig ist mir auch, dass junge Frauen sich am Betrieb wirtschaftlich gut verwirklichen können – zum Beispiel mit einem eigenen Standbein. - Welche Vorhaben planen Sie?
Es geht mir darum, die Bäuerinnen ins rechte Licht zu rücken und ihre besonders wertvolle Arbeit mit den Lebensmitteln sichtbar zu machen. Dazu veranstalten wir After-Work-Vernetzungstreffen mit Frauen aus Wirtschaft, Forstwirtschaft oder Jägerschaft, bei denen auch ältere mit jüngeren Frauen in Kontakt kommen. Und beim Projekt „Hofinsider“ mit der Landjugend gehen wir auf die jungen Frauen in der Landwirtschaft zu. - Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft?
Eine ehrliche und auch finanzielle Wertschätzung der Arbeit der Bäuerinnen – auch bezogen auf die Pflegeleistungen, wobei die bestehenden Erleichterungen noch ausgebaut werden sollten. Auch bei der Kinderbetreuung brauchen Bäuerinnen eine finanzielle Unterstützung, wenn sie keine Betreuungseinrichtung beanspruchen können. Auch Dorfhelferinnen wie in Niederösterreich, die bei Krisen aushelfen, brauchen wir.