Kurskorrektur bei EU-Politik statt Beruhigungspillen
Kein anderer Wirtschaftssektor hat aktuell so große Herausforderungen zu schultern wie die Landwirtschaft: Die volatilen Agrarpreise infolge des Ukrainekriegs, die Bewältigung des Klimawandels und obendrauf wurde den Bäuerinnen und Bauern auch noch ein Riesenrucksack mit immer mehr Bürokratie, realitätsfremden Regelungen und Produktionsbeschränkungen umgehängt. „Das schafft Frustration und Resignation. Daher ist es nur verständlich, dass Bäuerinnen und Bauern, die als Schlüsselspieler in der Gesellschaft den Tisch täglich decken, europaweit protestieren“, sagt Landwirtschaftskammer- Präsident Franz Titschenbacher und nennt ein paar haarsträubende Beispiele, die aufregen: So werden etwa billige Äpfel aus Südamerika ohne nachvollziehbare Produktionsstandards importiert – unsere nachhaltig wirtschaftenden Obstbauern werden hingegen mit Bürokratie nur so überschüttet. Oder: Um den Regenwald im Rahmen der EU Entwaldungsverordnung zu schützen, werden unsere heimischen Tierhalter und Waldbesitzer mit Beschränkungen und Papierkram zermürbt. Das versteht wirklich niemand – auch wenn die EU Entwaldungsverordnung ursprünglich gut gemeint war und den Import von Soja verhindern soll, der auf gerodeten Urwaldflächen kultiviert wird. „Konfrontiert waren wir in den vergangenen Monaten auch damit, dass der nachwachsende Rohstoff Holz nicht mehr als erneuerbare Energie anerkannt werden sollte, während die Atomkraft als nachhaltiges Investment gesehen wird“, schüttelt Titschenbacher den Kopf.
Kanonen auf Spatzen
Mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird auch bei der EU-Industrie-Emissionsrichtlinie. „Völlig unverständlich werden dabei kleine landwirtschaftliche Betriebe mit großen Industrieunternehmen, wie beispielsweise der OMV, in einen Topf geworfen“, so der Präsident. Teure Genehmigungsverfahren und aufwendige Gutachten können sich die heimischen Tierhaltungsbetriebe gar nicht leisten. „Die Alarmglocken schrillen laut. Unsere große Hoffnung liegt jetzt noch beim EUParlament, das die Notbremse ziehen muss“, verlangt Titschenbacher.
Produktionsfeindlich
„Nicht zuletzt sind wir durch den Green Deal in eine produktionsfeindliche Verbots- und Verhinderungskultur geschlittert“, verdeutlicht der Landwirtschaftskammer- Präsident. Allein die von der EU-Kommission jetzt zurückgenommene EUPflanzenschutzverordnung hätte die europäische Agrarproduktion erheblich verringert und zu Einkommensverlusten der Bauern geführt. „Wir sind nicht gänzlich gegen den Green Deal, aber wir brauchen realistische Ziele, die umsetzbar sind und die die Bauern auch erfüllen können“, sagt Titschenbacher. Denn es gehe um die sichere Versorgung und um die Lebensmittelsouveränität Österreichs – Drittstaatenimporte schaffen nur Abhängigkeiten.
Keine Halbherzigkeiten
„Deshalb brauchen wir eine Kurskorrektur in der EU-Politik hin zu einer ökosozialen Marktwirtschaft, die die Besonderheit der Landwirtschaft als Lebensmittelproduzent berücksichtigt“, verlangt Titschenbacher. Und vor allem: „Wir brauchen praxisgerechte Lösungen, die mit den Bäuerinnen und Bauern erarbeitet werden und keine halbherzigen Beruhigungspillen, die die Wogen nur oberflächlich glätten.“