Erntebilanz: Verschärfter Klimawandel lässt Erträge schrumpfen
Deutliche Mindererträge bei sehr wichtigen Kulturen wie Mais und Soja, blaues Auge bei Grünland
„Teils sind die Kulturen mit einem blauen Auge davongekommen, teils hat die klimawandelbedingte Trockenheit dieses Sommers aber beträchtliche Spuren bei der Ernte hinterlassen“, zieht Kammerpräsident Franz Titschenbacher Bilanz über die Ernte 2022, die weitgehend aber noch nicht ganz abgeschlossen ist. Besonders stark betroffen sind Mais und gentechnikfreie Soja als sehr wichtiges Futter für Rinder, Schweine und Geflügel. Hier wurde im steiermarkweiten Durchschnitt ein Ertragsminus von mindestens 20 Prozent eingefahren. Beim Grünland als Futterquelle für unsere Rinder konnte der September-Regen noch viel gutmachen, dennoch waren die Erträge auf Südwesthängen unterdurchschnittlich. Besser als im Vorjahr sind die Kürbis- und Weinernten ausgefallen. Durch die vielen Sonnenstunden kommen vor allem fruchtbetonte Weine mit einem harmonischen Säurespiel sowie perfekte Kürbiskernöle in die Flaschen.
Klimawandel-Doppelmühle: Zu wenig Regen und zu große Hitze in der Vegetationszeit
Der Klimawandel verschärft sich deutlich: In der Hauptvegetationszeit von Juni bis August ist es zu heiß und zu trocken. Konkret fehlten heuer in diesem Zeitraum steiermarkweit im Schnitt 30 Prozent des üblichen Regens und es war im Schnitt um drei Grad Celsius zu heiß! Diese Klimawandel-Doppelmühle verschärft sich zusätzlich noch, weil Wasser, das die Pflanze in dieser Zeit für ihr Wachstum bräuchte, durch die Hitze stark verdunstet (Grafiken). Auch die Zahlen der Österreichischen Hagelversicherung bescheinigen diese Problematik: Die Dürreschäden machten allein in der Steiermark heuer 32 Millionen Euro (2021: 15 Millionen Euro) aus, die Hagelschäden 8 Millionen Euro. Insgesamt betrug das Schadensausmaß durch Wetterkapriolen heuer 42 Millionen Euro.
Titschenbacher: Bauern brauchen jeden Liter Wasser im Boden
„Die heimischen Bäuerinnen und Bauern sowie die Landwirtschaftskammer steuern mit erfolgsversprechenden Initiativen gegen Trockenheit und Dürre als Folgen des Klimawandels“, betont Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Und weiter: „Um die Ernten und gleichzeitig die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern, kämpfen wir um jeden Liter Wasser im Boden.“ Denn in der Klimakrise kommt dem Boden als stabilisierender Faktor eine entscheidende Schlüsselrolle zu. Und genau deshalb setzen Kammer, Bäuerinnen und Bauern auf gezielten Humusaufbau und konsequenten Wasserschutz.
Vizepräsidentin Maria Pein: Klima-Fitness-Offensive „Humusaufbau und Wasserschutz“, um Ernten zu retten und Versorgung zu sichern
Hunderte heimische Bauern betreiben bereits mit großem Einsatz auf tausenden Hektar gezielten Humusaufbau und klimafitten Wasserschutz. Ihr praktisches Wirken klingt einfach, ist aber äußerst komplex und herausfordernd. Das Prinzip: Werden Äcker nach der Ernte und/oder während des Winters begrünt, so wird das Bodenleben aktiviert, der Boden gekühlt, sodass sich Regenwurm und Co selbst bei Hitze wohl fühlen. Das erhöht die Fruchtbarkeit des Bodens, dieser speichert mehr Wasser, Abschwemmungen werden verhindert und Grundwasser wird geschützt. Der Erfolg zeigt sich insbesondere im heurigen Trockenjahr. Die Vizepräsidentin: „Selbst auf sehr schwierigen Böden haben unsere Humus- und Wasserschutzbauern trotz Trockenheit heuer wirklich zufriedenstellende Mais-Ernten eingefahren.“ Ein zweites großes Projekt im Zuge der Klima-Fitness-Offensive der Kammer ist die aktive Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Maria Pein: „Mit zahlreichen Gemeinden in der Südoststeiermark entwickeln wir bereits Konzepte, um Humus- und Boden-Abschwemmungen durch eine bessere Wasserspeicherfähigkeit der Böden zu verhindern. Das klare Ziel dabei, Produktion und Versorgung zu sichern und die Umwelt zu schützen.“ Das dritte große Projekt ist die forcierte Forschung. Hier ist der kürzlich von der Landwirtschaftskammer aus der Taufe gehobene Dachverband zum „Schutz von Boden und Wasser“, der unter dem Vorsitz von Vizepräsidentin Maria Pein alle wichtigen Boden- und Wasserschutzaktivitäten der Steiermark bündelt, Bindeglied zwischen Wissenschaft, Forschung und landwirtschaftlicher Praxis. Dazu gibt es bereits mehrere Projektanfragen von Universitäten.
Brugner: Mit neuem deutsch-amerikanischem Knowhow jeden Liter Wasser für das Pflanzenwachstum verfügbar machen. Steiermark Nummer 1 in Österreich bei landwirtschaftlichen Versuchen
In der Klimakrise Erträge retten, Versorgung sichern und gleichzeitig Böden und Wasser schützen, das ist eine Herkulesaufgabe. „Durch unser umfangreiches standortangepasstes Versuchswesen und durch professionellen Wissenstransfer zu den Bäuerinnen und Bauern helfen wir den Produzenten, dem Klimawandel die Stirn zu bieten“, unterstreicht Kammerdirektor Werner Brugner. Und weiter: „Neu und äußerst vielversprechend ist die deutsch-amerikanische Sensortechnik, die uns seit Sommer von oststeirischen Versuchsflächen aus in 28 Zentimeter Tiefe im Zehn-Minuten-Takt einen wertvollen Einblick in die ´Humuswerkstatt´ des Bodenlebens und des Regenwurms gibt. Daraus können wir für die Bauern entscheidende kulturspezifische Pflegemaßnahmen und die standortangepasste ideale Bodenbearbeitung wie Grubbern, Pflugeinsatz, Mulchsaaten usw. für ihre Äcker ableiten, um jeden Liter Wasser für die Pflanze nutzbar zu machen.“ Gemessen werden Bodentemperatur, Nährstoffkonzentration im Boden sowie die Feuchtigkeitsverhältnisse. Ziel dabei ist es, dass die Bäuerinnen und Bauern auf ihren Äckern ein Bodenklima schaffen, in dem sich Bodenleben und Regenwurm wohlfühlen, sodass selbst bei Trockenheit die Erträge nachhaltig gesichert bleiben.
Brugner: Vorsprung durch Wissen – Erkenntnisse der deutsch-amerikanischen Sensortechnik bereits in Umsetzung
Etwa 70 Humusbauern, die die fachspezifische Online-Plattform „Praktikerforum“ der Landwirtschaftskammer nützen, profitieren bereits von den Erkenntnissen dieser vielversprechenden Versuche mit deutsch-amerikanischem Knowhow. „In den Wintermonaten wird dann bei den Ackerbautagen dieses neue Wissen zum Schutz von Boden und Wasser sowie zur nachhaltigen Sicherung von Erträgen an tausende Bauern weitervermittelt“, betont der Kammerdirektor.
Bernhard Hatzl, Wasserschutzbauer, Feldkirchen
„Mir sind Grundwasserschutz und Humusaufbau ein Herzensanliegen. Dazu benötige ich ein spezielles Knowhow: Wir setzen für die Herstellung unserer guten Lebensmittel Dünger sehr effizient ein. Als Direktvermarkter werde ich in Zukunft in unserem gut sortierten Hofladen in Feldkirchen bei Graz verschiedene Wasserschutzprodukte anbieten.“
Daniel Pucher, Humusberater der Landwirtschaftskammer:
„Nachhaltige Erträge sind mir wichtig. Wir betreuen 70 Praktiker in Sachen Humusaufbau, verbesserte Wasserspeicherfähigkeit des Bodens und Wellnessprogramm für den Regenwurm.“ Und weiter: „Wir fahren zu den Betrieben, nehmen Bodenproben, die im chemisch-bodenphysikalischen Labor des Landes ausgewertet werden. Durch unsere Messungen können wir auf die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens schließen.
Vor allem aber entwickeln wir mit den Bäuerinnen und Bauern maßgeschneiderte Strategien, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen und um mehr Wasser in den Böden zu speichern. Das ist der Schlüssel für sichere Ernten.“
Vor allem aber entwickeln wir mit den Bäuerinnen und Bauern maßgeschneiderte Strategien, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen und um mehr Wasser in den Böden zu speichern. Das ist der Schlüssel für sichere Ernten.“