Tierwohl-Paket Schweine: "Können mit dem Kompromiss leben“
Das endgültige Aus der Vollspaltenböden ist mit 2039 besiegelt, bei Neu- und Umbauten bereits ab 2023. Wie sehen Sie das als oberster Schweinevertreter?
KURT TAUSCHMANN: Wir haben uns im Vorfeld intensiv mit vielen jungen Schweinebauern auseinandergesetzt. Der generelle Tenor dieser Gespräche war: Die jungen Schweinebauern akzeptieren die gesellschaftspolitische Diskussion und anerkennen, dass ein Vollspaltenboden nicht mehr zeitgemäß ist. Dabei hat sich auch gezeigt, dass die Angst sehr groß ist, an den Pranger gestellt zu werden.
Was bedeutet die Neuregelung nun für die Schweinebauern?
Wir haben die Verhandlungen in zwei Richtungen geführt: Erstens sichern wir bestehende Ställe gesetzlich durch die Übergangsfrist bis 2039 ab. Damit bleibt den betroffenen Betrieben genügend Zeit, um sich Gedanken für die Zukunft zu machen. Und zweitens bekommen junge Schweinebauern Perspektiven, um bereits jetzt den Stall für die Zukunft zu bauen. Das Verbot mit 2039 ist ein politischer Kompromiss, mit dem wir leben können, wogegen wir uns aber lange gewehrt haben. Uns ist es dabei darum gegangen, einen praktikablen Weg zwischen den wirtschaftlichen Zwängen und ideologiegetriebenen Forderungen zu finden.
Ist der Kompromiss für die Schweinebauern tragbar?
Ja, Schweinebauern, NGOs und Politik können damit leben. Jetzt ist es unsere Aufgabe als Schweinebauernvertretung, mit der Branche gute Stallbaulösungen zu finden. Es geht darum, den "Stall der Zukunft" zu entwerfen. Und es geht zweitens vor allem auch darum, wirtschaftlich praktikable Lösungen für den Umbau von Ställen zu bieten. Dazu haben wir bereits die ersten Vorbereitungen getroffen. Im August eröffnen wir offiziell gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer das Schweinekompetenz-Zentrum. Dieses schafft den notwendigen engen Schulterschluss zwischen Beratung und Vermarktung. Gleichzeitig arbeiten wir am Forschungsprojekt IBeSt mit, bei dem praxistaugliche Lösungen für Adaptierungen von bestehenden Aufzucht- und Mastställen mit Praktikern und Wissenschaft erarbeitet werden (unten). Keinesfalls darf es für die Schweinebauern zu Mehrarbeit kommen und die zusätzlichen Tierwohlleistungen müssen abgegolten werden.
Seitens der Regierung wurden flankierende Maßnahmen wie entsprechende Investitionsförderungen angekündigt. Lassen sich dazu schon Details sagen?
Besonders gefördert wird das Programm IBeSt, um Stallbaulösungen zu finden. Für die Anpassung der Investitionsförderung aus der ländlichen Entwicklung starten in Kürze erste Gespräche mit dem Landwirtschaftsminister. Hier brauchen wir unbedingt höhere Obergrenzen bei der Investitionsförderung. Die derzeit geltende Obergrenze von 400.000 Euro ist einfach zu niedrig.
Um künftig Tierwohlfleisch zu vermarkten, ist die ganze Wertschöpfungskette gefordert. Wie?
Es wird sich in den nächsten Jahren herausstellen, ob die erforderlichen Mehrkosten auch auf dem Markt umsetzbar sind. Hier sind vor allem die Verarbeitungsindustrie, der Lebensmittelhandel und die Gastronomie gefordert. Wenn alle mitmachen, dann werden wir dieses große Vorhaben auch gut umsetzen können.
Um wie viel wird sich mehr Tierwohl beim Erzeugerpreis niederschlagen müssen?
Wir gehen künftig von fünf Haltungsstufen - von Standard bis Bio - aus. Dabei ist uns völlig bewusst, dass wir auch leistbare Lebensmittel anbieten müssen. Das ist wie beim Autokauf: Nicht jeder wird sich einen Mercedes leisten können. Im Schnitt jedoch werden wir für die höheren Haltungsstufen 20 bis 30% an Aufschlägen brauchen, bei Bio werden es 50% sein müssen.
Entscheidend wird die Nachfrage sein. Wie schätzen Sie diese ein?
In den momentan unsicheren Zeiten erleben wir leider generell einen Konsumrückgang. Doch bei den neuen gesetzlichen Regeln geht es um die langfristige Absicherung der Schweinehaltung. Unser großes Ziel ist es, den Heimmarkt verlässlich zu versorgen - wir brauchen mit unserem Fleisch nicht die Welt erobern.
Vonnöten ist auch ein Imagewandel bei den Produzenten
Das ist jetzt eine gute Chance, einen Imageumschwung herbeizuführen. Wir brauchen dazu eine gezielte Kampagne.
Tierwohl-Paket der Bundesregierung
Am 7. Juli hat der Nationalrat ein umfassendes Tierwohlpaket beschlossen. Es wurde von der Bundesregierung gemeinsam unter Einbeziehung der Interessenvertretung, von Branchenvertretern und Vertretern der Zivilgesellschaft erarbeitet und betrifft Bereiche des Tierschutz- und Tiertransportgesetzes sowie der 1. Tierhaltungsverordnung. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bezeichnet das enthaltene Auslaufen der unstrukturierten Vollspaltenbuchten mit 2039 in der Schweinehaltung als "richtigen Weg, der allerdings für viele Bäuerinnen und Bauern eine große Herausforderung sein wird“ und verspricht den Schweinebauern "für diesen Paradigmenwechsel entsprechende Investitionsunterstützungen“.
Was enthält nun dieses Tierwohl-Paket?
Was enthält nun dieses Tierwohl-Paket?
- Aus von Vollspaltenbuchten ab Ende 2039. Bis dahin müssen bestehende Ställe auf eine neue Haltungsform umgebaut werden. Ab 2023 wird es ein gesetzliches Verbot für den Neu- und Umbau von Ställen mit herkömmlichen Vollspaltenbuchten geben. Ab dann gilt bereits: bis zu 20% mehr Platz, verpflichtende Klimatisierung, mehr Beschäftigungsmaterial und sogenannte "strukturierte Buchten“ mit eigenen Liege-, Aktivitäts- und Kotbereichen. Dazu werden im Forschungsprojekt IBeSt (unten) mit Praktikern Mindeststandards erarbeitet.
- Das AMA-Gütesiegel wird parallel dazu ausgebaut. So sollen möglichst viele Betriebe für die neuen Tierwohlstandards gewonnen werden. Bis 2030 sollen 1 Mio. Schweine mit neuen Tierwohlstandards auf den Markt kommen.
- Weitere Regeln beim Tierwohl-Paket. Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern läuft 2030 aus. Weiters wird das Schreddern von Küken - mit Ausnahme von Futterzwecken - abgeschafft. Auch für die Betäubung von Ferkeln wurden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen. In öffentlichen Küchen und Kantinen muss Tierwohl-Schweinefleisch angeboten werden.
Schweineställe: Um- und Neubau
Als eine flankierende Maßnahme für den praktikablen sowie wirtschaftlich vertretbaren Um- und Neubau von Schweineställen läuft das Projekt IBeSt (Innovationen für bestehende Aufzucht- und Mastställe für Schweine - zum Wohl von Mensch und Tier). Von den 18 mitwirkenden Praxisbetrieben kommen fünf aus der Steiermark. Hans-Peter Bäck und Josef Macher sind Koordinator für die steirischen Betriebe.
Was sind die Vorhaben?
Was sind die Vorhaben?
- Praktikable Lösungen für bestehende Ställe. Unter Einbindung der 18 Praktiker, von Wissenschaft, Behörden und der Politik werden für Umbauten bestehender Ställe wirtschaftlich vertretbare und praktikable Lösungen erarbeitet. Dabei werden insbesondere die Arbeitssituation der Schweinebauern sowie die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt, um in Zukunft weiter Schweine halten zu können. Besonderer Wert wird auf den Umbau von Teilbereichen gelegt.
- Auch der Schweine-Stall der Zukunft, wie er ab 2040 als Schweine-Tierwohl-Stall empfohlen wird, wird erarbeitet. Er wird aus einem Liege-, Kot- und Aktivitätsbereich strukturiert sein und Ökospalten ohne Stroh werden teils erlaubt sein.