05.07.2019 |
von DI Franz Tiefenthaller
Den Kälbern mehr Milch geben
Stierkälber erhalten üblicherweise viel Milch, was von Rindermästern auch teilweise kritisiert wird.
Ziel der reichlichen Milchgabe ist es, möglichst rasch ein Gewicht von zirka 90 bis 100 Kilogramm zu erreichen, damit das Kalb für die Mast verkauft werden kann. Die Gewichtsentwicklung ist bei dieser Tränkemenge dementsprechend gut. Die gleiche Tränkemethode sollte auch bei weiblichen Kälbern angewendet werden.
Eine ganze Fülle an Gründen spricht dafür, die Milchmenge in den ersten Lebenswochen nicht zu rationieren, wie Prof. Harald Hammon beim 18. BOKU-Symposium Tierernährung 2019 erläuterte.
Ziel der reichlichen Milchgabe ist es, möglichst rasch ein Gewicht von zirka 90 bis 100 Kilogramm zu erreichen, damit das Kalb für die Mast verkauft werden kann. Die Gewichtsentwicklung ist bei dieser Tränkemenge dementsprechend gut. Die gleiche Tränkemethode sollte auch bei weiblichen Kälbern angewendet werden.
Eine ganze Fülle an Gründen spricht dafür, die Milchmenge in den ersten Lebenswochen nicht zu rationieren, wie Prof. Harald Hammon beim 18. BOKU-Symposium Tierernährung 2019 erläuterte.
Vorteile höherer Tränkemengen:
- Weniger Aufzuchtverluste
- Verbesserte Immunabwehr
- Im weiteren Verlauf höheres Leistungsniveau bei männlichen und weiblichen Tieren
- Weniger gegenseitiges Besaugen
So sieht der optimale Tränkeplan aus
- Kolostrum: mindestens 3 Liter in den ersten Stunden
- Kolostrum des Muttertieres 3-5 Tage weiter füttern
- Dann Vollmilch oder hochwertigen Milchaustauscher in einer Menge von mehr als 20 % der Körpermasse über 5 (bis 8) Wochen geben
- Kraftfutter und Heu (oder Kälber-TMR) sowie Wasser anbieten
- Langsames Abtränken (2-3 Wochen)
Die Ansicht, man könne durch begrenzte Milchmengen die Kraftfutteraufnahme steigern, ist mittlerweile in etlichen Versuchen widerlegt worden. Festfutter (Kraftfutter, Heu) wird im ersten Lebensmonat noch nicht ausreichend verdaut. Die Aufnahme ist in dieser Phase - unabhängig von der vertränkten Milchmenge - noch sehr gering. Die Entwicklung des Vormagensystems wird durch hohe Milchgaben lediglich etwas verzögert. Nach dem Abtränken nehmen Kälber, die Milch bis zur Sättigung (ad libitum) bekamen, sogar mehr Festfutter auf als restriktiv getränkte Kälber.
Die Pansenentwicklung ist daher besser.
Versuch mit 5-wöchiger Tränke
Am Leibnitz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) und Institut für Ernährungsphysiologie („Oskar Kellner“) in Dummerstorf, Deutschland, wurde ein Versuch mit 28 Holstein- und Holstein-Charolais-Kreuzungskälbern (19 männliche, 9 weibliche) durchgeführt. Die Tiere erhielten nach der Kolostrumphase bis zum Alter von 5 Wochen einerseits Milchaustauscher zur freien Aufnahme (ADLIB) und andererseits beschränkt auf 6 Liter pro Tag (RES). In der 6. und 7. Woche wurde die Tränkemenge bei der ADLIB-Gruppe kontinuierlich auf 6 Liter reduziert. Alle Kälber erhielten dann bis zur 9. Lebenswoche 6 Liter Tränke pro Tag. Dann wurden alle geschlachtet und die Gewichte der Schlachtkörper und Organe ermittelt. Auch die Pansenzotten wurden nach Größe, Anzahl, Fläche, Länge bestimmt und die Darmschleimhaut im Dünndarm und Dickdarm untersucht. Darüber hinaus wurde die Höhe an mRNA ermittelt, die in Zusammenhang mit dem Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor (IGF) in der Pansenschleimhaut steht.
Ergebnisse
- Höhere Aufnahme an Milchaustauscher und bessere Zunahmen in der ADLIB-Gruppe ohne Auswirkung auf die Kraftfutteraufnahme
- Höhere Schlachtgewichte in der ADLIB-Gruppe
- Höhere Dichte an Pansenzotten im Pansenblindsack der RES-Gruppe
- Gleiche Oberfläche an Pansenzotten im Pansen in beiden Gruppen
- Uneinheitliche Tendenzen bei den mRNA-Gehalten
- Keine Einflüsse auf Pansen-pH-Wert und Gehalt an flüchtigen Fettsäuren
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Versuch mit 8-wöchiger Tränke
Am gleichen Institut wurde 2017 ein ähnlicher Versuch mit 64 Holsteinkälbern (32 männliche, 32 weibliche) durchgeführt. Dabei wurde die ad-libitum-Tränke sogar über 8 Wochen durchgeführt. Zusätzliche wurde der Effekt der Gabe von Butyrat untersucht. Dieses soll einen positiven Einfluss auf die Magen-Darm-Entwicklung haben und den Insulin gesteuerten Glukosestoffwechsel positiv beeinflussen. Nach der Kolostrumgabe wurden fünf Mahlzeiten mit angesäuerter Milch der Muttertiere verabreicht (2 Mahlzeiten mit 3 Litern bei Res, ad libitum bei Adl). Ab dem 4. Lebenstag wurde die Aufteilung in 4 Gruppen vorgenommen und auf Milchaustauscher umgestellt. Die Kontrollgruppe erhielt maximal 6 Liter Tränke pro Tag mit und ohne Butyrat (ResB+, ResB-), die ad libitum gefütterten Tiere nahmen bis maximal 25 Liter Tränke zu sich (AdlB+, AdlB-). Nach der achten Woche (57. bis 70. Tag) wurde der Milchaustauscher (MAT) sukzessive auf 2 Liter pro Tag abgesenkt und bis zum Versuchsende gefüttert. Die restriktiv gefütterten Kälber erhielten am Tränkeautomaten maximal 2 Liter, die ad libitum gefütterten Kälber bis zu 5 Liter je Besuch. Das neue Anrecht auf Tränke wurde mit 2 Stunden (Res) bzw. 30 Minuten (Adl) festgesetzt. Wasser, Heu und pelletierter Kälberstarter standen zur freien Aufnahme zur Verfügung.
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Ergebnisse:
- Aufnahme von Kolostrum bei allen Tieren gleich (2,5 Liter)
- Aufnahme an Transitmilch war bei den Adl um 25% höher (19,8 vs.14,8 Liter)
- MAT-Aufnahme war bei Adl-Gruppe höher.
- Höchste Trockenmasseaufnahmen in Woche 5 (AdlB-) bzw. 8 (AdlB+)
- Ad libitum Kälber nahmen um 2,3mal mehr MAT-Trockenmasse auf als Res-Kälber
- Butyrat-Gabe hatte keinen Einfluss auf die MAT-Aufnahme
- Aufnahme an Kraftfutter war in den ersten 3 Wochen vernachlässigbar
- Ab der 4. Lebenswoche stieg die Kraftfutteraufnahme bei den Res-Kälbern stärker als bei den Adl-Tieren und hielt bis zum Versuchsende an
- Die Res-Kälber nahmen mehr Kraftfutter auf als die Adl-Kälber
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Das Geburtsgewicht war zu Versuchsbeginn in beiden Gruppen gleich (43,6 kg). Im Versuchszeitraum hatten die Adl-Kälber ein höheres Körpergewicht. Die Butyratgaben führten in der Tendenz zu etwas niedrigeren Körpergewichten. Bis zur 6. Woche waren die täglichen Zunahmen in der Adl-Gruppe um das 1,8-fache höher als in der Res-Gruppe, am höchsten in Woche 9, aber niedriger in Woche 10 und 11.
Über die gesamte Versuchsdauer lag sie aber bei den Adl-Kälbern signifikant höher (980 g zu 795 g). Die Futterverwertung veränderte sich während des Versuches und war in der Adl-Gruppe in der Woche 1 höher als in der Res-Gruppe, aber niedriger in den Wochen 5, 7, 8 und 10.
Durch Butyratgabe wurde sie im Allgemeinen gesenkt.
Über die gesamte Versuchsdauer lag sie aber bei den Adl-Kälbern signifikant höher (980 g zu 795 g). Die Futterverwertung veränderte sich während des Versuches und war in der Adl-Gruppe in der Woche 1 höher als in der Res-Gruppe, aber niedriger in den Wochen 5, 7, 8 und 10.
Durch Butyratgabe wurde sie im Allgemeinen gesenkt.
- Res-Kälber lagen bei der Aufnahme von Energie um 27%, bei Rohprotein um 22% und bei Rohfett um 43% niedriger als Adl-Kälber
- Adl-Kälber waren am Versuchsende um 14 kg schwerer
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Im Stoffwechsel zeigten Adl-Kälber im Blutplasma höhere Gehalte von Glukose, niedrigere an Betahydroxybuttersäure, indifferente Werte bei Laktose und zu Beginn höhere am Ende des Versuches aber niedrigere Werte bei Blutharnstoff. Effekte sind auch im Fettstoffwechsel und Hormonspiegel zu finden. Der Gehalt an Insulin im Blutplasma lag bei Adl-Kälbern höher, bei Glukose anfangs höher ab der 4. Woche aber niedriger, der Gehalt an Cortisol lag niedriger als bei den Res-Kälbern.
Moderne Tränkemethode
Diese und etliche andere aktuelle Untersuchungen legen daher die Empfehlung nahe, allen Kälbern – männlich und weiblich – in den ersten Lebenswochen die Tränkemenge nicht zu begrenzen. Viele Betriebe in Österreich haben auf Empfehlung der LK-Fütterungsberater in den letzten Jahren bereits gute Erfahrungen mit höheren Tränkemengen gemacht. Durchwegs wurde 3 Wochen lang Milch (nach Empfehlungen von Dr. Hans-Jürgen Kunz, LK Schleswig-Holstein, Versuchszentrum Futterkamp) zur freien Aufnahme angeboten. Diese Phase ist jedoch zu kurz, zumindest 5, besser 8 Wochen sollte Milch unbegrenzt angeboten werden. Der höhere Milchverbrauch wird durch hohe Zunahmen und bessere Gesundheit und Leistung in der Jugendentwicklung und bei den erwachsenen Tieren kompensiert. Ad libitum Tränke ist die richtige Tränkemethode, die mit angesäuerter Tränke oder arbeitstechnisch noch einfacher mit Tränkeautomaten in der Praxis umgesetzt werden sollte.
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DI Franz Tiefenthaller
Tel.: 050 69 02 - 1351
E-Mail: franz.tiefenthaller@lk-ooe.at